© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/23 / 13. Januar 2023

Kröten schlucken
USA: Die Republikaner im Repräsentantenhaus müssen nun zeigen, was sie können
Jörg Sobolewski

Seine erste Bewährungsprobe hat Kevin McCarthy, der neue Sprecher des US-Repräsentantenhauses, bestanden. Mit 220 zu 213 Stimmen verabschiedeten die Abgeordneten eine neue Geschäftsordnung, die dem Nachfolger von Nancy Pelosi eine vergleichsweise schwächere Position verschafft. Doch was für andere ein Grund für Ärger und finstere Mienen wäre, dürfte bei dem Kalifornier für Erleichterung sorgen. Denn bis zuletzt blieb unklar, ob ihm die eigene Partei wieder die Gefolgschaft versagen würde. 

Fünfzehn Wahlgänge hatte das Repräsentantenhaus gebraucht um McCarthy zum Sprecher zu wählen, ein Rekord. Verantwortlich dafür ist eine Gruppe besonders konservativer Abgeordneter rund um den sogenannten „Freedom Caucus“, einer Ansammlung republikanischer Politiker, die das eigene Parteiestablishment als Teil einer „Uniparty“ sieht. So drückt es zumindest der Kopf der einflußreichen New York Young Republicans aus, Gavin Wax. Diese Uniparty, bestehend aus dem Establishment der Demokraten und der Republikaner, würde lediglich „den Untergang der Vereinigten Staaten moderieren“. Aus ihrer Sicht ist McCarthy Teil des Problems, Teil der ‘Uniparty’.”

 Hinter den Kulissen zusammengehalten und organisiert wird der „Freedom Caucus“ vor allem von ehemaligen Mitstreitern Trumps. Einer der führenden Köpfe ist etwa der Chef des „Conservative Partnership Institute“, Ed Corrigan. Der stets verbindlich auftretende Corrigan gilt unter eher liberalen Politikern und Journalisten auf dem Capitol Hill auch als „Evil Ed“, als böser Geist der Republikaner. Denn Corrigan war unter Trump für die Personalverantwortung der Administration zuständig und sorgte mit teilweise ruppigen Methoden für eine Besetzung anfallender Stellen in US- Bundesbehörden mit überzeugten Parteigängern. 

Diesen etwas härteren Stil pflegen auch die Abgeordneten, die sich dem Freedom Caucus zugehörig fühlen. Einer von ihnen, Matt Gaetz aus Florida, schrieb während der Hängeperiode zwischen den Wahlgängen sogar einen Brief an die zuständige Verwaltung des Repräsentantenhauses. McCarthy sei „ohne rechtlichen Grund“ in das Büro des Sprechers eingezogen und müsse „unverzüglich“ geräumt werden. 

Die parteiinterne Opposition wird ihm genau auf die Finger schauen

So viel öffentlich ausgetragener Streit ist auch in den USA selten. Kein Wunder also, daß sich der Ärger seiner eher moderaten Parteifreunde fast bis zur Tätlichkeit steigerte. Einer von ihnen, Mike Rogers, mußte nach einer Schimpftirade gegen Gaetz von seinen Kollegen zurückgehalten werden, auch dies ein seltener Eklat im Repräsentantenhaus. 

Schließlich gelang der Drahtseilakt, doch die Zugeständnisse, die McCarthy seinen lautstarken Gegnern machen mußte, sorgen nun für Besorgnis auf der moderaten Seite. Denn die Geschäftsordnung schwächt nicht nur den Sprecher, sie stärkt auch die individuellen Rechte der Abgeordneten. Künftig sollen etwa nicht mehr fünf, sondern bereits ein Abgeordneter ein Mißtrauensvotum gegen den Sprecher anstrengen dürfen. Größere Gesetzesvorhaben, etwa milliardenschwere Hilfspakete, sollen künftig wieder vor großer Bühne diskutiert und verhandelt werden, zu Lasten von Hinterzimmerverhandlungen. Eine Gefahr für die „Handlungsfähigkeit“ des Parlaments sehen einige Moderate in diesen Regelungen und kündigen an, künftig genauer hinzuschauen, um „Mißbrauch“ zu vermeiden. 

Ob einzelne rechte Abgeordnete für sich im geheimen auch begehrte Sitze in wichtigen Ausschüssen für die eigene Stimme herausgehandelt haben, ist noch unklar. Auch hier wird McCarthy künftig aus seiner Partei mit Argusaugen beobachtet werden – sowohl von Gegnern als auch Unterstützern. Ein Herzensanliegen der rechten Hardliner, die Haushaltsdisziplin, zeichnet sich bereits jetzt als künftiger Schwerpunkt der republikanischen Arbeit im Parlament ab. Ein Punkt, der den Demokraten Sorgen bereiten wird, es dürfe nicht sein, daß das Leben von Bundesangestellten „zur Geisel innerrepublikanischer Politik“ wird, wie die Mitarbeiterin einer demokratischen Abgeordneten im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT kundgibt. Denn bereits mehrfach kam es in der Vergangenheit zu einer Blockade neuer Schulden im Parlament, als sich beide Parteien nicht über die Modalitäten einig wurden. Dann aber geraten die Vereinigten Staaten als Arbeitgeber in Schwierigkeiten, teilweise monatelang wurden Gehälter nicht gezahlt. 

McCarthy dürfte im Moment weder von Freunden noch von Feinden um seine Position beneidet werden, die parteiinterne rechte Opposition wird ihm genau auf die Finger schauen, und seine eigenen Unterstützer werden ebenfalls ihren Kandidaten kritisch beäugen, um nicht selbst ins Hintertreffen zu geraten. 

Immerhin, die Abstimmung über die Geschäftsordnung ging glimpflich aus, doch auch hier versagte ein Abgeordneter seinem Sprecher die Unterstützung – denn die Demokraten verfügen lediglich über 212 Stimmen.