Wirtschaftlich geht es bergab, im Fußball klappt auch nichts, aber im Bauen will Deutschland weltmeisterlich werden: Nach den aktuellen Plänen für die Erweiterung des Bundeskanzleramtes soll der Sitz von Kanzler Olaf Scholz (SPD) achtmal so groß werden wie das Weiße Haus in Washington, zehnmal größer als der Sitz des britischen Premierministers in London und dreimal so groß wie der Präsidentenpalast in Paris.
Und auch die Baukosten erreichen rekordverdächtige Höhen. Sie sollen inzwischen bei 777 Millionen Euro liegen, ein weiterer Anstieg auf eine Milliarde Euro wird nicht mehr ausgeschlossen. Noch im Herbst vergangenen Jahres war von 600 bis 640 Millionen Euro die Rede, woran allerdings auch schon der Bundesrechnungshof erhebliche Zweifel angemeldet hatte. Fest steht, daß der Anbau teurer wird als das bisherige, 2001 fertiggestellte Kanzleramt.
Der geplante 50.000 Quadratmeter große Erweiterungsbau des Kanzleramtes unmittelbar neben dem Altbau soll über einen Hubschrauberlandeplatz verfügen, eine eigene Kindertagesstätte und eine zweite Kanzlerwohnung. Der Neubau enthält zudem mehrere hundert Büros. Damit soll der Zustand beendet werden, daß die Mitarbeiter auf mehrere Dienstorte in Berlin verteilt sind. Inzwischen hat das Amt rund 770 Mitarbeiter. Der Altbau war nur auf 400 Beschäftigte ausgelegt.
In der Koalition wachsen inzwischen die Bedenken gegen das Projekt. „Bundeskanzler Scholz sollte den umfangreichen und teuren Ausbau des Bundeskanzleramtes krisenbedingt auf Eis legen“, forderte die Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, Sandra Weeser (FDP) in einem Zeitungsinterview. Weeser kritisiert auch die ihrer Ansicht nach überflüssigen Doppelstrukturen zwischen Bundeskanzleramt und den Ministerien. In der Opposition macht Jan Marco Luczak, baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Stimmung gegen das Projekt: „In einer Zeit, wo viele Menschen und Unternehmen unter Energiepreisen und Inflation ächzen und oftmals um ihre Existenz fürchten müssen, wäre eine prachtvolle Erweiterung für bald eine Milliarde Euro ein völlig verfehltes politisches Signal.“
Die wortgewaltigen Interviews erinnern an einen Sturm im Wasserglas. Denn im Bundestag liegt schon lange ein Antrag der AfD vor, den Erweiterungsbau für das Bundeskanzleramt zu stoppen. Der Antrag wurde im Oktober an den von Weeser geleiteten Bauausschuß überwiesen. Seitdem passierte nichts mehr. Scholz selbst begibt sich bei der Verteidigung des Projekts inzwischen auf die Metaebene: „Die Architekten haben mit der Achse von Gebäuden an der Spree, dem Band des Bundes, einen offenen, demokratischen und umweltgerechten Gegenentwurf zu den Großmannsplänen der Nazis vorgelegt. Ich halte es für angemessen und sinnvoll, diese Planungen umzusetzen“, so der Bundeskanzler. Ähnlich rätselhaft wie sein Kanzler argumentierte der Bundestagsabgeordnete Brian Nickholz (SPD), als er erklärte, der Kanzleramtsanbau habe einen Gegenwert für die Menschen im Land.