© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/23 / 13. Januar 2023

Luisa Neubauer. Die Gewalt gegen Polizisten in Lützerath eskaliert – doch die Klima-Ikone schweigt. Kein Wunder ...
Grüner Sexismus
Fabian Schmidt-Ahmad

Johann Tetzel hieß jener deutsche Ablaßprediger, der für weltliches Geld Schutz vor göttlicher Strafe versprach. Sein moderner Wiedergänger heißt Luisa Neubauer und will uns gleichfalls erlösen. Neben Geld geht es ihr um Aufmerksamkeit: für sich, für Fridays for Future, für das nahe Weltende. Dafür wird sie von den Medien geliebt. Presse, Fernsehen, grüne Partei-, Kirchen- und Katholikentage – jeder dient sich der Wanderpredigerin des schlechten Gewissens an. Selbst Joe Kaeser lud sie zum Stelldichein, soll ihr laut FFF gar einen – von Neubauer jedoch abgelehnten – Aufsichtsratssitz angeboten haben, was der Siemens-Chef aber dementiert.  

Doch wie ihre Cousine Carla, auch eine FFF-Ikone (JF 2/22), ist dem 1996 in Hamburg geborenen Sproß der Reemtsma-Familie die Aufgabe eigentlich zu groß. Legendär ihr Auftritt bei den Grünen 2019, wo eine den Tränen nahe Klima-Madonna Reue und Buße des ergriffenen Publikums einforderte. Peinlich nur, daß sie vergaß, ihr Instagram-Profil zu bereinigen. Hier ließ die Tochter aus reichem Haus die Öffentlichkeit an ihrem kerosinverschwenderischen Jetset-Leben teilnehmen, Skifahren in St. Moritz und so.

Bei jedem Fehltritt beteuern Scharen von Medienleuten, Neubauer habe gar nicht gemeint, was sie gesagt hat.

Seither reiht die „deutsche Greta Thunberg“ (Focus) Fehltritt an Fehltritt. Was die Karriere der FFF-Sprecherin rettet, ist grüner Sexismus: Danach ist eine Frau, besonders wenn sie jung ist, nicht verantwortlich für das, was ihr an Unverantwortlichem aus dem Mund purzelt. Faktenfrei konnte das Grünen-Mitglied so 2021 bei „Anne Will“ Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen Judenhaß andichten. 2022 war es Kanzler Scholz, der den Nazismus relativiere. Warum auch nicht? Schließlich konfrontiert kaum jemand das Hätschelkind des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit den teils militant israelfeindlichen Tendenzen bei FFF. 

Zum Fremdschämen war es trotzdem, als Neubauer im Oktober bei Markus Lanz wieder einmal intellektuell aus der Kurve getragen wurde. Zunächst überkam sie die übliche Weltuntergangsvision, als sie von Innenminister a.D. Thomas de Maizière unsanft auf den Boden des Grundgesetzes zurückgebremst wurde: „Geht es um die Alternative ‘Zeit oder Demokratie’, bin ich für Demokratie!“ Genervt zickte sie zurück: „Die Wahl zwischen Zeit und Demokratie haben wir nicht.“ Immerhin fragte Lanz kritisch nach, doch Scharen von Medienleuten bemühten sich um Schadensbegrenzung: Neubauer habe gar nicht gemeint, was sie gesagt hat und so weiter – der erwähnte Sexismus. 

Ähnlich als sie im Sommer in einem Video kichernd meinte: „Natürlich denken wir darüber nach, zu sprengen ... die EACOP-Pipeline, die längste Rohölleitung der Welt.“ Und sich zu ihrer Verteidigung dann ausgerechnet auf Andreas Malm (JF 27/22) berief, einen Radikalen, der Methoden wie „Eigentum zerstören, Infrastruktur angreifen“ sowie Sprengstoffanschläge empfiehlt. So verwundert kaum, daß Neubauer zwar Teil des aktuellen Protests in Lützerath ist, zur Gewalt gegen Polizisten dort bisher aber schweigt. 

 Noch jede Diktatur hat eben mit Dispens für Gewalt im Namen des Heils begonnen. Bis dahin dürfte die Dampfplauderin noch für manche Schweißperle bei ihren Bewunderern sorgen. Aber vielleicht berät sie ja ihr Freund Louis Klamroth, neuer Moderator von „Hart aber fair“. So bekäme das grüne Orakel auf kurzem Dienstweg mitgeteilt, wann es besser mal den Mund hält.