Auf dem Flughafen Frankfurt gab es vor Weihnachten Hunderte Flugausfälle und Verspätungen. Doch anders als in Berlin und München, als Mitglieder der von US-Stiftungen gesponserten „Letzten Generation“ den Flugbetrieb durch Störaktionen lahmlegten, war es am größten deutschen Flughafen vor allem gefrierender Regen, der zahlreiche Maschinen am Boden bleiben ließ. Die Nordwest-Landebahn war am 19. Dezember stundenlang gesperrt, Winterdienst und Enteisungsgeräte konnten trotz Dauereinsatz keinen Normalbetrieb ermöglichen.
Da stellt sich die Frage: Warum wird in den Alpen, Nordamerika oder Skandinavien der Flugverkehr im Winter nicht eingestellt? Es wird ein enormer Aufwand betrieben, denn Eis und Schnee gehören zu den größten Gefahren für Flugzeuge. Um einen planmäßigen und vor allem sicheren Betrieb der Maschinen zu gewährleisten, sind die Mitarbeiter der Flughäfen mit umfangreicher Wintertechnik zum Teil rund um die Uhr im Einsatz, obwohl an den meisten deutschen Flughäfen ein strenges Nachtflugverbot gilt. Allein der Flughafen Frankfurt hat bis zu 1.350 Beschäftigte allein für den jährlichen Winterdienst eingeplant.
Eine Maschine mit vereisten Tragflächen kann nicht starten
Eis bildet schon seit der Frühzeit der Fliegerei ein Risiko, das Piloten besonders fürchten. Denn damit ein Flugzeug fliegt, müssen die Tragflächen Auftrieb erzeugen. Dieser Auftrieb entsteht infolge der besonderen Form der Flügel. Diese sind nicht gerade wie ein Brett geformt, sondern an der Oberseite stärker gewölbt als auf der Unterseite. Kommt ein Flugzeug aufgrund seiner Triebwerke in Fahrt, entwickeln sich Unterschiede zwischen der Druckverteilung an der Oberseite und an der Unterseite der Tragflächen. Dadurch entsteht der Auftrieb.
Eis auf den Tragflächen kann den Auftrieb vernichten, denn er stört dieses feine Spiel der Druckunterschiede. Ein Flugzeug mit vereisten Tragflächen ist nicht in der Lage, zu starten. Bei einem Startversuch würde eine Maschine mit vereisten Tragflächen im schlimmsten Fall mit der vollen Startgeschwindigkeit von bis zu 300 Kilometer pro Stunde das Ende der Startbahn hinausschießen.
Das verhindert die Enteisung der Flugzeuge. Diese findet zum einen auf dem Boden statt. Zum anderen muß auch während des Fluges eine Vereisung verhindert werden. Denn auch in der Luft kann sich Eis an den Tragflächen bilden. Das ist zum Beispiel dann möglich, wenn ein Flugzeug aus großer und kalter Höhe kommt und im Rahmen des Sinkfluges in wärmere, feuchtere Luftschichten einfliegt. Um eine Vereisung zu vermeiden, sind die Maschinen mit einer Enteisungsanlage ausgestattet. Bei Düsenmaschinen verhindert heiße Luft aus den Triebwerken die Bildung von gefährlichem Eis an den Tragflächen. Bei vielen kleineren Turboprop-Flugzeugen sind hingegen die Flügel- und Leitwerksvorderkanten mit Gummibälgen ausgestattet. In diese wird bei beginnendem Eisansatz Druckluft geblasen. Die Bälge dehnen sich aus und sprengen dabei das Eis ab.
Am Boden sind die Wartungsmannschaften der Flughäfen für die Enteisung der Maschinen zuständig. Eine besondere Gefahr stellt das „Klareis“ dar, ein Eispanzer, der bei diesigem Wetter entsteht und mit dem bloßen Auge oft kaum zu erkennen ist. Klareis kann bis zu zwei Zentimeter dick sein und sich sogar noch bei Temperaturen bis +15 Grad Celsius bilden. Was im ersten Moment unwahrscheinlich klingt, hat einen handfesten Hintergrund. In großer Höhe sind Temperaturen von -50 Grad Celsius nicht unüblich. Fliegt eine Maschine länger als drei Stunden in einer solchen Umgebung, kann das Kerosin, das sich nach der Landung noch in den Tanks der Tragflächen befindet, Temperaturen von -30 Grad Celsius haben. Ist das Wetter diesig, gefriert die Feuchtigkeit der Luft sofort, wenn sie in Kontakt mit den eiskalten Flügeln kommt.
Das verhindert eine Enteisung. Dabei werden die Flugzeuge mit einem Gemisch aus Wasser und Enteisungsmittel (ADF) besprüht. Das Gemisch hat dabei eine Temperatur von 85 Grad Celsius. ADF besteht zum Großteil aus Glykolalkohol, wie es auch als Frostschutzmittel in Autokühlern eingesetzt wird. Um die Mischung aus ADF und Wasser auf das Flugzeug aufzubringen, gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen kann die Enteisung über stationäre Anlagen erfolgen. Ein Flugzeug rollt durch die Enteisungsanlage hindurch, während es mit dem Gemisch besprüht wird.
Zum anderen gibt es die Enteisung durch mobile Enteisungsfahrzeuge. Dabei gibt es verschiedene Modelle. Die „Eisbär II“-Fahrzeuge werden von zwei Personen bedient: einem Fahrer und einem Enteiser. Dieser steht in einem beweglichen Hubkorb und enteist die Flugzeuge mit einer Spritzdüse. Die Fahrzeuge sind mit zwei Tanks ausgestattet, in denen sich je nach Größe bis zu 8.000 Liter Flüssigkeit befinden. Zur weiteren Ausstattung gehört ein 16 Kilowatt starker Heizbrenner. Er erhitzt das aufzubringende Gemisch in 15 Minuten von null auf 80 Grad Celsius.
Täglich eine halbe Million Liter Enteisungsmittel im Einsatz
Das Nachfolgemodell des „Eisbären“ ist der „Elephant beta“. Dieses Modell kommt sogar mit nur einem Mann Bedienung aus. Ein solches Fahrzeug kostet rund eine halbe Million Euro. Ganz billig ist auch die Enteisung der Flugzeuge auf den Flughäfen nicht. Bestellt der Kapitän einer Boeing 737 die Enteisung seiner Maschine, kostet das zwischen 1.000 und 1.500 Euro. Die Rechnung wird von der jeweiligen Airline bezahlt. Ein Tankvolumen von 8.000 Liter Enteisungs-Gemisch klingt im ersten Moment viel. Trotzdem müssen die Enteisungsfahrzeuge häufig nachtanken. Allein für die Enteisung eines Jumbos werden bis zu 6.000 Liter benötigt. An Spitzentagen kommen auf einem Großflughafen täglich rund eine halbe Million Liter Enteisungsmittel zum Einsatz.
Ein umfangreiches Kanalsystem sorgt auf den Flughäfen dafür, daß Umweltschäden so gering wie möglich gehalten werden. Das von den Flugzeugen ablaufende Enteisungsmittel wird in diesem Kanalsystem aufgefangen. Nachdem es von Schmutz und Wasser getrennt wurde, kann es anschließend wiederverwendet werden. Wenn dann doch etwas Glykol in die Natur gerät, wird das Mittel hier biologisch vollständig abgebaut.