Arnold Gehlen. 1977, kurz nach dem Tod des Philosophen und Soziologen Arnold Gehlen (1904–1976), nahm Karl-Siegbert Rehberg, Gehlens letzter Assistent, eine auf zehn Bände angelegte Gesamtausgabe der Schriften seines Lehrers in Angriff. Eine überschaubare Aufgabe, verglichen mit dem reicheren Lebenswerk von Max Scheler und Helmuth Plessner, den beiden anderen Begründern der Philosophischen Anthropologie in Deutschland. Trotzdem und trotz stetiger großzügiger Förderung durch „Drittmittel“ ist die Ausgabe auch 45 Jahre später nicht abgeschlossen. Bereits in den 1980ern, als das Unternehmen sich hinzuschleppen begann, kursierte der Witz, der SPD-nahe Rehberg habe die Edition nur übernommen, um die rasche Rezeption eines konservativen Klassikers zu sabotieren. In diesem Herbst ist nun endlich Band 5 erschienen, der als Haupttext „Urmensch und Spätkultur“ (1956) enthält, das Herzstück von Gehlens Institutionenlehre, der jedoch nicht historisch-kritisch kommentiert, sondern, wie die Schriften in den bisher erschienenen sieben Bänden, lediglich mit Nachweisen zur Textgeschichte versehen wurde, die zur geistesgeschichtlichen Kontextualisierung dieser Variante von Gehlens „Suche nach den Wesenseigenschaften des Menschen“ nicht viel beitragen. (kl)
Karl-Siegbert Rehberg u. a. (Hrsg): Arnold Gehlen. Urmensch und Spätkultur sowie weitere Schriften zu einer Theorie der Institutionen. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2022, gebunden, 700 Seiten, 129 Euro
Frühe Luftfahrt. Das Jahr 1929 sollte das Ende der wirtschaftlichen und kulturellen Blütezeit der „Goldenen Zwanziger“ einleiten. Die Weltwirtschaftskrise zehrte an Deutschland, und das Unternehmertum sah sich schlagartig mit einer Ungewißheit konfrontiert. In seinem neuen Historienroman greift der Autor und Professor Stefan Piasecki jene geschichtsträchtige Epoche auf und nutzt sie als Sprungbrett für eine literarische Reise in das ferne Persien. Die teils auf Fiktion, teils auf realen Ereignissen basierende Geschichte über das europäische Zeppelingewerbe, den Kampf um die Etablierung von Lufthandelsrouten und den deutschen Ingenieur Wilhelm Darburg, der sich als Protagonist in einer abrupt modernisierten persischen Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts wiederfindet und dort in die Machenschaften einer facettenreichen Besetzung von Begleitfiguren verwickelt wird, glänzt durch eine Verknüpfung der Komponenten Erzählung und Historie. Hierbei wurden kreative Imagination und historisch akkurate Dokumentation in Einklang gebracht, um ein fesselndes Werk zu kreieren, das gleichermaßen die persische wie die deutsche Geschichte beleuchtet. (wis)
Stefan Piasecki: Himmelsleiter. edition vi:jo, Krefeld 2022, gebunden, 368 Seiten, 26,90 Euro