© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/23 / 06. Januar 2023

Afghanistan: Geopolitik statt Demokratieaufbau
Eigentliche Triebfeder der USA
(ob)

Bereits ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban zerfällt der afghanische Staat zusehends. Für Muska Dastageer, nach Sidney ausgewichene Professorin an der American University of Afghanistan, vollzieht sich in ihrem Geburtsland gerade eine „schwere humanitäre Krise“. 21 Millionen Menschen sind dort akut von Ernährungsunsicherheit betroffen, 18,1 Millionen benötigen dringend Zugang zu medizinischer Versorgung, 16,2 Millionen sind „schutzbedürftig“, etwa weil ihnen Kinderarbeit oder Zwangsehen drohen. Was die Rechte von Frauen anbelange, habe sich die Lage seit 2021 „enorm verschlechtert“. Bei den „Gender-Gleichstellungsindizes“ finde sich Afghanistan weiterhin auf einem der letzten Plätze. Die jetzt zum Teil ausgesetzte internationale Entwicklungshilfe der letzten zwanzig Jahre scheint wirkungslos verpufft zu sein, der westliche „Aufbau der Staatlichkeit“ sei gescheitert (Kulturaustausch, 4/2022). Die Verwandlung einer mittelalterlich-patriarchalischen Gesellschaft in eine moderne pluralistische Demokratie hätte von den USA eine längerfristige Strategie erfordert. Je länger ihr Engagement dauerte, desto klarer wurde, daß geopolitische Sicherheitsinteressen und nicht Demokratieförderung und Friedenskonsolidierung die „eigentliche Triebfeder“ des „Kriegs gegen den Terror“ waren. 


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