© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/23 / 06. Januar 2023

Der himmelnde Blick
Ausstellung: Das Frankfurter Städel-Museum entdeckt den italienischen Barockmaler Guido Reni wieder
Claus-M. Wolfschlag

Künstlerische Popularität und Bekanntheit unterliegen dem jeweiligen Zeitgeschmack. Und so war der italienische Barockmaler Guido Reni zu Lebzeiten an seinen Schaffensorten ausgesprochen bekannt und mußte sich über Aufträge nicht beklagen. Ihm wurde gar der Beiname „Der Göttliche“ verliehen. Doch der Ruhm verblaßte im Laufe der Jahrhunderte, um im 19. Jahrhundert einen Tiefpunkt zu erreichen. Längst hatte sein Zeitgenosse Michelangelo Merisi da Caravaggio ihm den Ruf als bekanntester italienischer Barockmaler seiner Zeit abgelaufen. Das Frankfurter Städel versucht nun nach über 30 Jahren erneut in einer großen Schau Besuchern das Werk des teils aus dem öffentlichen Bewußtsein gewanderten Reni näherzubringen. 

Reni experimentierte zeitlebens und veränderte seinen Stil 

Der 1575 in oder bei Bologna geborene Sproß einer Musikerfamilie begann bereits ab dem zarten Alter von elf Jahren seine künstlerische Ausbildung. Das Musikalische floß offenbar in seine Gemälde ein, denn es wird berichtet, daß er beim Malen gesungen hätte. Mit 23 Jahren erhielt er 1598 den Auftrag zur Bemalung eines päpstlichen Palastes und konnte sich dabei unter anderem gegen den eigenen Lehrer Ludovico Carracci durchsetzen. Es war der Beginn einer steilen Karriere, die sich nach seinem Umzug nach Rom 1601 fortsetzte. Reni erhielt nun zahlreiche Aufträge der einflußreichen Familie Borghese. Er fertigte Fresken und Gemälde für Kirchen, den Vatikanpalast sowie diverse Palazzi der hohen Gesellschaft und wurde dadurch zum führenden Maler der „Ewigen Stadt“. Renis akribisch geführtes Rechnungsbuch, das seine Auftragslage dokumentiert, ist in der Schau zu sehen.

Die Frankfurter Ausstellung zeigt, daß Reni zeitlebens experimentierte und seinen Stil in verschiedenen Lebensphasen wandelte. Nur zeitweilig ließ er sich vom tenebristischen Stil seines Konkurrenten Caravaggio inspirieren, der stark mit düster-dramatischen Hell-Dunkel-Kontrasten arbeitete. Renis Farbpalette zeigt sich zumeist deutlich heller und bunter, für den heutigen Zeitgeschmack beinahe kitschig. 

Renis Bezeichnung als „Göttlicher“ hat dabei zweierlei Bedeutung. Zum einen ist damit seine künstlerische Fähigkeit gemeint, die ihm durch göttliche Gnade verliehen worden ist. Zum anderen spielt sie auf die religiösen Bildmotive des als ausgesprochen fromm beschriebenen Malers an. Der „himmelnde Blick“ seiner Figuren wurde dabei zum Markenzeichen. Die Verehrung der Mutter Gottes und der eigenen Mutter ging allerdings einher mit einem gehörigen Mißtrauen gegenüber dem weiblichen Geschlecht.

Von seiner Kunst ausgesprochen gut leben konnte Reni, dessen extravaganter Lebensstil überliefert ist. Er nahm viel Geld ein, gab es aber auch wieder aus, für Freunde, für Spenden und sein großes Laster: die Spielsucht. Diese zwang ihn bisweilen zur Akkordarbeit. Innerhalb kurzer Zeit fertigte er Skizzen und Gemälde, auch als Serienproduktion. Das führte zu einem besonderen Effekt seines Alterswerkes. Reni ließ Bilder unfertig, teils skizzenhaft, mit deutlich zurückgenommenem Kolorit, was ihnen einen leicht modernen Anstrich verleiht. Als Erklärung wird heute dafür herangezogen, daß der Künstler offenbar potentiellen wohlhabenden Käufern eine erste Fassung „non finito“ präsentieren wollte, die er, nach abgeschlossenem Vertrag, dann per Feinarbeit zu überarbeiten beabsichtigte.

Renis Werke wurden in den Jahrhunderten nach seinem Tod 1642 zu einem Sammelobjekt. Mehrere Werke befanden sich zum Beispiel im Besitz der preußischen Könige. Manches ging in den Wirren der Nachkriegszeit verloren. Dennoch geriet Reni weitgehend in das öffentliche Vergessen. Die Frankfurter Schau möchte dem mit 160 gezeigten Objekten ein wenig entgegenwirken.

Die Ausstellung „Guido Reni – Der Göttliche“ ist bis zum 5. März 2023 im Städel-Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, zu sehen. Der Katalog mit 328 Seiten kostet 39,90 Euro.

 www.staedelmuseum.de/de