Spätestens seit dem 19. Jahrhundert bevölkern sie die Opern- und Operettenbühne; und auch dann, wenn man sie, wie im Beiheft zu der Neueinspielung von Ruggero Leoncavallos „Zingari“, als „Roma“ klassifiziert, bleiben sie immer doch: Zigeuner. Denn nicht um die Leben derer, die einem der Zigeunerstämme angehören, geht es in diversen hochkulturellen Schöpfungen, sondern um imaginierte Gesellschaften halbedler Halbwilder, frei von den Zwängen der verwalteten Welt, gefangen in naturgesetzlicher Rechtsordnung, faszinierend unheimlich.
Unter den vielen Vertonungen von Alexander Puschkins 1827 erstmals veröffentlichtem Poem „Die Zigeuner“, vornehmlich russischer Komponisten, findet sich auch eine italianisierte Version, und zwar die von Leoncavallo. Die ist nun in die Stadt ihrer erfolgreichen Uraufführung, 1912 im Londoner Hippodrome Theatre, zurückgekehrt. Für die verdienstvolle Reihe der Gesellschaft „Opera Rara“, die sich dem vergessenen Opernerbe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts widmet, haben Solisten, Chor und das Royal Philharmonic Orchestra unter Carlo Rizzi das Dramma Lirico in due episodi „Zingari“ eingespielt. Dazu hat Martin Fitzpatrick verlorene Teile der Partitur reorchestriert.
Allen voran die bulgarische Sopranistin Krassimira Stoyanova, der armenische Tenor Arsen Soghomonyan und der US-amerikanische Bariton Stephen Gaertner unterwerfen sich lustvoll schamlos den Stilmitteln des Verismo, die Leoncavallo seit „Pagliacci“ effektiv und effizient einzusetzen wußte.
Ruggero Leoncavallo Zingari Opera Rara 2022