© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/23 / 06. Januar 2023

Gleichschaltung der Zentren akademischer Opposition
Lockruf des politischen Geldes
(wm)

Wie unterwirft man, „ohne die Einsteins in die Emigration“ zu treiben und „ganz ohne Bücherverbrennungen“, Universitäten der Macht von Staat und Wirtschaft? Der Beantwortung dieser Frage hat der Politologe Sheldon Wolin (1922–2015) sein Alterswerk gewidmet (deutsch: „Der umgekehrte Totalitarismus“, 2022). Der linke „Radikaldemokrat“ beschreibt darin, wie es in den USA seit Ende des 20. Jahrhunderts gelungen ist, vor allem die Kultur- und Sozialwissenschaften als akademische Zentren „notorischer Opposition“ auszuschalten und sie zu systemkonformen Ideologiefabriken umzurüsten, die daran mitwirken, ein semitotalitär- „postdemokratisches“ Herrschaftsgefüge zu legitimieren. Ermöglicht habe diese Korrumpierung von Wissenschaftlern eine Kombination von „Drittmittel“-Finanzierungen durch den Staat, durch Konzerne und private Stiftungen.  Wie sich dieser Prozeß an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität entwickelte, deren Töpfe eine Allianz aus EU-Kommission, Großkonzernen und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung füllte, schildert der seit 2002 dort tätige Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen als „Zeitzeuge“ einer demokratiefeindlichen „Politisierung der Forschung“ (Tumult, 3/2022). Zusätzlich motiviert durch die Bologna-Reform hätten sich Dozenten wie Studenten „eigenständiges Denken“ mittlerweile abgewöhnt. Der „Lockruf des politischen Geldes“ habe einen „neuen Akademikertypus“ kreiert, der die „hegemoniale Ideologie“ derart verinnerliche, daß er sich als Werbeträger für ein System empfehle, das nur noch wissenschaftliche Mimikry benötigt. 


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