© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/23 / 06. Januar 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schließt sich die Schlinge?
Jörg Kürschner

Es sind ungeheuerliche Anschuldigungen, die ein deutscher Regierungschef dickfällig hinnimmt. „Wir haben einen Kanzler, der ein Lügner ist“, ist der Journalist Oliver Schröm, Autor des Buches „Die Akte Scholz“ überzeugt. Der Hamburger Ex-Linken Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi nennt Olaf Scholz gar einen „Serienlügner“. Könnte dessen Rolle im sogenannten Cum-Ex-Skandal seine noch junge Kanzlerschaft gefährden?

Zentrale Frage ist, ob Scholz – als Hamburger Bürgermeister – und andere SPD-Politiker Einfluß genommen haben auf das Steuerverfahren gegen die in der Hansestadt mächtige Warburg-Bank. Es geht um 47 Millionen Euro erstatteter Kapitalertragssteuer, die die Finanzverwaltung der Bank zunächst erstattet, später aber zurückgefordert und dann verzichtet hatte. Eine weitere Forderung über 43 Millionen Euro wurde erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums geltend gemacht. Bei Cum-Ex-Geschäften wurden Aktien rund um den Dividendenstichtag mit und ohne Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin und her geschoben. Am Ende erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt wurden. Dem Staat entstand Schätzungen zufolge ein Schaden von mindestens zehn Milliarden Euro. 

Fest steht, daß sich Scholz 2016 dreimal mit dem Mitinhaber der Warburg-Bank, Christian Olearius, getroffen hat. In seinem Amtszimmer. Gegen Olearius liefen damals bereits Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. An die Gesprächsinhalte habe er heute „keine eigene Erinnerung“ mehr, machte der SPD-Politiker in zwei Sitzungen vor dem Untersuchungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft geltend. Und: „Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluß genommen“, bestonte Scholz. 

Doch seine Erinnerungslücken werden angezweifelt. Jetzt wollen Union und AfD den Kanzler erneut vor den Finanzausschuß des Bundestages laden. Anlaß ist ein zunächst als geheim eingestuftes, seit Dezember aber nach langer Debatte öffentliches Protokoll des Gremiums vom Juli 2020. Damals sagte Scholz vor den Ausschußmitgliedern, „man habe über viele Dinge gesprochen“ und „er habe sich nur die Sicht der Dinge von Olearius angehört“.  

Der AfD-Finanzpolitiker Kay Gottschalk hat Scholz seinerzeit bei der als vertraulich eingestuften Sitzung erlebt. Der damalige Bundesfinanzminister habe sehr professionell agiert, sei hervorragend vorbereitet gewesen. „Ich hatte immer das Gefühl, daß er auf die Fragen nur so geantwortet hat, wo er es mußte und wo er aufgrund vorliegender Fakten nichts mehr verbergen konnte“, so Gottschalk gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Die Schlinge der Verquickungen von Scholz und der Warburg-Bank schließt sich immer weiter“. 

Geht es nach dem Willen von Union und AfD soll Scholz noch im Januar vor den Finanzausschuß geladen werden. Dann dürfte er darauf verweisen, daß die Staatsanwaltschaften in Hamburg und in Köln Ermittlungsverfahren gegen ihn abgelehnt haben. „Der Anfangsverdacht einer Straftat“ liege nicht vor.