Deutschlandweit konnten Aktivisten, die gegen die angebliche Diskriminierung sexueller Minderheiten kämpfen, ihr Glück kaum fassen. Mitte Dezember wurde durch ein Interview der Frankfurter Rundschau mit einer Transsexuellen bekannt, daß eine Kita im nordhessischen Kassel ihr vier Jahre altes Kind vor die Tür gesetzt hatte. Aus, wie die Mutter behauptete, „transfeindlichen“ Motiven. Das Internetportal „queer.de“ sprach von einem „unglaublichen Fall transphober Diskriminierung“, woraufhin der „Queerbeauftragte“ der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), den Fall an Heiligabend auf die politische Ebene zog und Konsequenzen forderte: „Eine grauenvolle Geschichte. Und ein Fall für die Fachaufsicht der Kitas, die Stadt Kassel und ggf. die Antidiskriminierungsstelle des Bundes“, twitterte Lehmann.
Doch noch vor Ende des Jahres nahm der Fall eine Wendung. Das Magazin Cicero ließ in einem Artikel über den angeblich „transfeindlich“ motivierten Rauswurf des Kindes die Verantwortlichen der Kita zu Wort kommen, die ein ganz anderes Bild zeichneten. Demnach haben sich die Eltern massiv in die Arbeit der Kita-Erzieher eingemischt und versucht, aktiv Propaganda für die Transideologie zu machen. So sei schon in der Eingewöhnungsphase des Kindes unter anderem dem Personal und sogar anderen Kindern Sexismus unterstellt worden. Zudem seien im Kindergarten Bücher zum Thema Transsexualität heimlich und ohne Absprache mit den Erziehern vorgelesen worden. Außerdem beklagt die Kita, daß das Personal von dem Trans-Elternteil ständig belehrt wurde und den Mitarbeitern Fotos von schwangeren Transgender-Männern und -Frauen übergeben worden seien, damit sie darüber mit den Kindern sprechen sollten.
Dadurch hätten die Eltern klar gegen zuvor mit der Einrichtung getroffene Absprachen verstoßen. „Wir haben in diesem Gespräch klar geäußert, daß eine Einmischung der Eltern in das pädagogische Konzept sowie die Konfrontation der Kinder mit den Themen Sexualisierung, Sexismus, Rassismus und Diskriminierung nicht erwünscht ist und vermieden werden muß“, sagte ein Vorstandsmitglied des Trägers der Welt zur Begründung für die Kündigung des Betreuungsverhältnisses. Auch die vom „Queerbeauftragten“ Sven Lehmann ins Spiel gebrachte Fachaufsicht wurde mittlerweile aktiv und hat beide Seiten angehört. Mit dem Ergebnis, daß kein Anlaß bestehe, die grundsätzliche konzeptionelle Arbeit der Kita zu beanstanden.
Nachdem sich der Wind in der Berichterstattung gedreht hatte, fühlte sich auch Lehmann bemüßigt, einen weiteren Tweet abzusetzen. Seine erste Äußerung sei vorschnell gewesen, räumte er kurz vor dem Jahreswechsel ein. „So wie die Kita den Fall jetzt dargestellt hat, erscheint ihre Entscheidung in einem anderen Lichte + nachvollziehbar. Ich denke, daß das vor Ort gut aufgeklärt wird.“ Die traditionell linke Frankfurter Rundschau, die mit ihrem unkritischen Interview den Fall ins Rollen gebracht hatte, hat den Artikel, der zeitweise im Internet nicht erreichbar war, nun mit dem Zusatz versehen, daß der Kindergarten in einem zweiten Teil Gelegenheit haben wird, sich zu den Vorwürfen zu äußern.