© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

McCarthy feiert heute in Hollywood fröhliche Urständ
Vor 75 Jahren begann die Gesinnungsschnüffelei gegen US-amerikanische Filmproduzenten / „Hollywood-Ten“ warfen einen Schatten voraus
Michael Dienstbier

Wird Hollywood von Kommunisten unterwandert? Nach dem gemeinsamen Sieg gegen Deutschland traten die unüberbrückbaren Systemgegensätze der einstigen Alliierten USA und Sowjetunion offen zutage und führten innerhalb weniger Jahre zur Blockbildung des Kalten Krieges. Schnell geriet die in Hollywood ansässige Filmindustrie in den Verdacht, gezielt sowjetische Propaganda zu verbreiten, um einen kommunistischen Umsturz in den Vereinigten Staaten vorzubereiten. Als Zeugen der Anklage fungierten unter anderem Walt Disney und der damalige Vorsitzende der Schauspielergewerkschaft und spätere Präsident Ronald Reagan. 

Im September 1947 schritt das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ (House Un-American Activities Committee, abgekürzt: HUAC) zur Tat. Das HUAC war ein 1934 gegründetes Gremium des Repräsentantenhauses, welches ursprünglich vor allem die Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie bekämpfen sollte und mit neun ständigen Mitgliedern beider großer Parteien besetzt. 79 Personen wurden vorgeladen, alle als Regisseure, Drehbuchautoren oder Produzenten tätig, und sollten vor dem Ausschuß die Frage, ob sie Verbindungen zur Kommunistischen Partei der USA haben oder jemals hatten, beantworten. 19 verweigerten sich und beriefen sich dabei auf den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung, in dem unter anderem die Redefreiheit garantiert wird. Von den 19 erschienen elf persönlich vor dem Ausschuß in Washington. Der elfte war Bertolt Brecht, der wegen seiner Mitarbeit an dem Film „Auch Henker sterben“ von Fritz Lang unter Verdacht stand. Auf die Frage nach seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei antwortete Brecht legendär „No, no, no, no, no, never“ und verließ das Land sofort danach in Richtung Europa. Aus elf wurden zehn, die Hollywood Ten waren geboren.

Jagd auf vermeintliche und tatsächliche Kommunisten

Zuerst solidarisierten sich viele namhafte Akteure mit den Hollywood Ten. Neben Humphrey Bogart, Billy Wilder und Gregory Peck gehörte auch Thomas Mann – seit 1944 US-amerikanischer Staatsbürger – zu deren Unterstützern. Die Solidarität endete abrupt, als sich herausstellte, daß alle Hollywood Ten tatsächlich aktive oder ehemalige Mitglieder der Kommunistischen Partei waren. Am 24. November 1947 wurden sie wegen „Mißachtung des Kongresses“ zu Haftstrafen von bis zu zwölf Monaten verurteilt. Zwei Tage später kamen sie auf eine schwarze Liste, was einem lebenslangen Berufsverbot für die Filmindustrie gleichkam.

Das Beispiel von Dalton Trumbo, dem wohl bekanntesten Namen der Hollywood Ten, zeigt, daß dies nicht das Ende der Geschichte war. In den kommenden Jahren gewann der Drehbuchautor gleich zweimal den Oscar für seine Mitarbeit an den Filmen „Roman Holiday“ und „The Brave One“, selbstverständlich unter Pseudonym schreibend. 1960 hatte sich der Wind gedreht und Trumbos wahrer Name konnte erstmals wieder im Abspann eines Filmes erwähnt werden und zwar keinem geringeren als Stanley Kubricks Meisterwerk „Spartacus“.

In den fünfziger Jahren wurde die Jagd auf vermeintliche und tatsächliche Kommunisten zunächst verschärft. Maßgeblicher Akteur dieser bereits von Zeitgenossen als Hexenjagd empfundenen Politik war der republikanische Senator Joseph McCarthy, der allerdings selbst nie Mitglied des HUAC war. Der Eifer McCarthys wurde selbst seinen Parteifreunden und dem republikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower zuviel, spätestens als der Senator begann, Kabinettsmitglieder als Kommunisten zu verdächtigen. McCarthy wurde 1955 entmachtet und starb zwei Jahre später. In den kommenden Jahren verlor das HUAC beständig an Einfluß und wurde 1975 aufgelöst.

Auch wenn das Gremium nicht mehr existiert, hat das Prinzip HUAC in den vergangenen Jahren fröhliche Urständ gefeiert. Wer die falsche Gesinnung hat – gegen Wokeness, gegen Zwangsimpfung, für Trump – ist raus aus dem Spiel. Hollywood ist heute einer der Hauptmultiplikatoren der woken Ideologie, die in nahezu jedem Film mehr oder weniger subtil reproduziert wird. 2022 gibt es viele McCarthys, und die Hexenjagd wütet heftiger denn je.