© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Auf Gegenkurs
Lepanto beschwört Wirkmacht der katholischen Geisteswelt
Werner Becker

Von Augustinus über Chesterton bis hin zu Martin Mosebach ist der Bogen der katholischen Denker weit gespannt. Um so dramatischer ist es, daß die katholische Geisteswelt aus den Buchhandlungen hierzulande fast völlig verschwunden ist. Das durch sie dokumentierte, humane Menschenbild, der durch sie beschworene maßvolle Umgang mit der Schöpfung – nichts wäre derzeit wichtiger. Ist es nicht lohnend, die vielen in Vergessenheit geratenen Schätze katholischer Literatur zu bergen, neu zu bewerten und den Lesern wieder besser zugänglich zu machen? Genau dieses Großprojekt verfolgt der kleine Lepanto Verlag mit dem nun bereits zum dritten Mal erschienenen „Lepanto-Almanach“, einem „Jahrbuch für christliche Literatur und Geistesgeschichte“. 

Auch dem Jahrgang 2022 gelingt es, eine Fülle von Impulsen, die der christlichen Geisteswelt entspringen, auf aktuelle Weise zu erschließen. Die Beiträge des soeben erschienenen dritten Bandes des „Lepanto-Almanachs“ kreisen einerseits um das Verhältnis zwischen christlicher Literatur und bildender Kunst und wenden sich andererseits dem Christlichen in der Gegenwartsliteratur zu. Schriftsteller wie Reinhold Schneider, Paul Ernst, C. S. Lewis, Teilhard de Chardin und Ulrich Schacht treten vor den Vorhang, ergänzt durch das Zeugnis zeitgenössischer Autoren wie Christine Wiesmüller und Ralf Gnosa. 

Eröffnet wird der Band allerdings von der Erinnerung an die Seeschlacht von Lepanto, als vor viereinhalb Jahrhunderten eine christliche Flotte die Osmanen vor der westgriechischen Küste besiegte. Es ist bestimmt kein Zufall, daß der folgende Beitrag die kulturellen Wurzeln Europas aus geistesgeschichtlicher Perspektive behandelt. Hierin wird thematisiert, daß der Islam, wenn man ihn theologisch analysiert, als mohammedanische Häresie des Christentums anmutet. Es gehört heutzutage viel Mut dazu, dergleichen anzusprechen!

Die Beispiele von Schneider, Lewis und Schacht zeigen, wie sich christliche Maßstäbe auch in schwierigen Zeiten vertreten lassen. Speziell Schneider wurde noch in der frühen Bundesrepublik verehrt und gefeiert, später aber immer stärker in den Hintergrund gedrängt. Als Konservativer und Monarchist, der sich jedoch dem Krieg und der Gewalt entschieden verweigerte, hatte er bereits zu Lebzeiten zwischen allen Stühlen gesessen. Durch die kulturelle Hegemonie der Achtundsechziger, die als dogmatische Sozialisten für die Gefahren bestimmter Aspekte des national geprägten Sozialismus blind waren, wurde Reinhold Schneider endgültig aus dem Kanon der „zitierfähigen“ Literatur verabschiedet. Eine wie große Tragödie für die heutige Geisteslage solche Akte der Ignoranz darstellen, zeigt das höchst aktuelle Jahrbuch. 

Michael Rieger, Till Kinzel, Christoph Fackelmann (Hrsg.): Lepanto-Almanach, Band 3 (2022). Lepanto Verlag, Rückersdorf 2022, broschiert, 384 Seiten, 17,50 Euro