© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

In die Institutionen eingedrungen
Politisierte Universitäten: An den Hochschulen in Deutschland geben seit Jahrzehnten linksradikale Gruppen den Ton an / An finanziellen Mitteln mangelt es ihnen nicht
Hinrich Rohbohm

Es ist für ihn jetzt das dritte Semester. Doch Jonas Richter (Name geändert) erinnert sich noch gut an seinen Start vor einem Jahr. „Wir hatten Corona, aber trotzdem: Alles total aufregend, neue Stadt, neuer Lebensabschnitt nach der Schule“, erinnert er sich. Der gebürtige Westfale hatte damals sein Studium der angewandten Politikwissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg aufgenommen. Die Stadt gefällt ihm. Der historische Stadtkern mit seinen schmucken Türmen und Toren, die bergige Landschaft des Schwarzwalds, die Nähe zu Frankreich und der Schweiz. „Und natürlich auch die Kneipenlandschaft“, schmunzelt er.

Doch etwas stieß ihm schon damals sauer auf. „Die aggressive Sprache und der Versuch, gerade uns Erstsemester von Beginn an zu vereinnahmen irritiert schon“, schildert er seine damals ersten Begegnungen mit linksradikalen Hochschulgruppen gegenüber der JF. „Die boten da so kritische Einführungstage im Rahmen einer alternativen Ersti-Woche an.“ Was da steht, habe ihn entsetzt.  „Bildet euch und bildet Banden“, hatte es etwa auf einem Flyer geheißen. Als angehender Politikwissenschaftler sei er da besonders hellhörig geworden. „Ich hatte mir das Programm von denen einmal näher angesehen und stellte fest, daß mit alternativ eigentlich linksextremes Gedankengut gemeint ist.“

So wurde in dem „kritischen Alternativprogramm“ für Antifa-Treffen in einem linken Zentrum geworben. Sogar Kampfsporttraining gemeinsam mit der Antifa sei angeboten worden. Die gewaltbereite Klimaschutz-Gruppe „Ende Gelände“ lud zu einer Filmvorführung in das Susi-Café, einer Kneipe der Freiburger Antifaschistischen Linken. „Das sind extremistische Gruppen. Das alles müßte an einer Universität eigentlich ein No-go sein.“ Stattdessen muß Richter feststellen, daß Linksextremismus an Universitäten offen ausgelebt wird. „Man stelle sich nur mal vor, irgendwelche Nazi-Gruppen würden mit derartigen Programmen für Studienanfänger auf dem Campus auf Werbetour gehen. Der Aufschrei wäre zu Recht gewaltig.“ Natürlich habe er sich schon vor Beginn seines Studiums keine Illusionen über die vorherrschende Linkslastigkeit an deutschen Universitäten gemacht.

Und so habe ihn auch das Werben für feministisches Lesen oder eine Diskussion mit der Migrationshilfe-Organisation Seebrücke im Büro der Linkspartei ebensowenig überrascht wie ein Workshop zu Schwangerschaftsabbrüchen und queeres Kennenlern-Treffen im Regenbogen-Referat.

„Wenn sie das hier durchziehen, wird die Stadt brennen“

An zahlreichen anderen Universitäten in Deutschland existieren ähnliche „Begrüßungsprogramme“ für Studienanfänger. Wie etwa das der Linken Hochschulgruppe „Kleine Strolche“ an der Universität Osnabrück, das Ende Oktober mit einem Vortrag zur Einführung in die Kapitalismuskritik der „Libertären Kommunist*innen“ startete.

Tags darauf: Treffen des Lesekreises „Kritische Männlichkeiten und Queerness“, gefolgt von „Queering Pädagogik“, einer Veranstaltung über „Konsensuelles Flirten und Sex“, einem Trommelworkshop „Rhythmus des Widerstandes“ und einem „offenen anarchistischen Brunch“. Angebote, die auch auf der Internetseite des von den Semesterbeiträgen der Studenten getragenen Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der Universität beworben werden. 

Das dabei den Studenten vermittelte Weltbild entwickelt eine Eigendynamik, die an so mancher Universität zu bizarren Erscheinungsformen führt. So hatte etwa der AStA der Berliner Humboldt-Universität im vorigen Jahr per Stellenausschreibung einen Antidiskriminierungsberater gesucht. Und das auf eine Art und Weise, mit der das Gremium selbst Menschen mit nichtweißer Hautfarbe diskriminiert. Denn weiße Bewerber seien für diese Stelle nicht gewünscht, so die damalige Vorgabe des Uni-Gremiums, dem in diesem Jahr mehr als 127.000 Euro für Aufwandsentschädigungen seiner AStA-Referenten zur Verfügung stehen. Darunter Referate wie das für Antifaschismus, das Referat für Antirassismus, dem für „Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter“ oder das „Referat für queer_Feminismus.“

„Besonders in den klassischen Universitätsstädten hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine linksradikale Infrastruktur ausgebreitet, die weit über den Hochschulbetrieb hinausreicht“, erzählt der JF ein hessischer Funktionär des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), der aus Angst vor Repressalien an seinem Studienort ebenfalls lieber anonym bleiben möchte. Ganz egal ob Polizei, der Einzelhandel in der Innenstadt oder die örtliche Politik: „Wenn den linksradikalen Gruppen irgend etwas nicht paßt, geben alle schnell klein bei.“

So war es auch 2019 in Göttingen geschehen, als der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu einem Vortrag anläßlich des Göttinger Literaturherbstes ins Alte Rathaus geladen war. „Wir waren bereits im Gebäude, als die Polizei mitteilte, daß sie aufgrund eines massiven Demonstrationsaufmarsches sich außerstande sehe, für die Sicherheit der Veranstaltung zu garantieren“, erinnert sich ein Göttinger Student im Gespräch mit der JF. „Wenn Sie das hier heute durchziehen, wird es Brände in der ganzen Stadt geben“, habe ein Polizist damals die Veranstalter gewarnt.  „Uns war ziemlich mulmig zumute an diesem Tag“, berichtet der Funktionär der der Union nahestehenden Vereinigung. Der Hausmeister des Rathauses sei zusammengeschlagen worden, dem Geschäftsführer des Literaturherbstes wurde auf der Straße aufgelauert und das Hemd vom Körper gerissen.

Die Veranstaltung wurde schließlich abgesagt und zu einem späteren Termin unter starkem Polizeiaufgebot wiederholt. In direktem Zusammenhang dazu soll auch ein Anschlag auf die Göttinger Ausländerbehörde stehen. Und ein historisches Amtsgebäude der Stadt stand nach der Lesung in Flammen. Ein Bekennerschreiben bezog sich direkt auf den Vortrag von de Maizière.

Die zunehmende Akademisierung nützt den linksradikalen Gruppen

Besonders Verbindungsstudenten stehen immer wieder im Fokus linksextremer Gewalttäter. Im Sommer dieses Jahres verübten Unbekannte einmal mehr Brandanschläge auf zwei Fahrzeuge, die vor einem Verbindungshaus in Göttingen geparkt hatten. Das Gebäude selbst bewarfen die Täter mit Farbbeuteln. Konsequenzen: keine. Erst nach fünf Tagen erschien eine erste Pressenotiz darüber in der örtlichen Zeitung.

Vor allem die zunehmende Akademisierung der Gesellschaft spielt linksradikalen Gruppen in die Hände. War der Besuch der Universitäten einst der geistigen Elite vorbehalten, so ist das heutige Hochschulleben ein Massenbetrieb. Allein in Göttingen sind knapp 30.000 Menschen als Studenten eingeschrieben. Das ist mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung in der Stadt. In Marburg sind es bei 76.000 Einwohnern und 22.000 Studenten sogar fast ein Drittel. Mit der Folge, daß sich damit einhergehend auch die politischen Mehrheiten veränderten. Linke Parteien haben heute bei Wahlen in Universitätsstädten wie Göttingen, Marburg oder Freiburg gemeinsam in der Regel einen Stimmenanteil von rund 70 Prozent. Zum Vergleich: Die CDU kommt in ihrer einstigen südbadischen Hochburg Freiburg heute gerade mal noch auf elf Prozent. „Wenn wir in Göttingen 30 Prozent bekommen, dann wäre das für uns ein super gutes Ergebnis. Mehr ist angesichts der gesellschaftlichen Zusammensetzung in der Stadt kaum drin“, heißt es beispielsweise aus den Reihen der dortigen CDU. Strukturell würden linke und linksradikale Parteien in Göttingen stets über breite Mehrheiten verfügen. Und damit auch langfristig Zuschüsse für linke Zentren und Projekte sicherstellen. 

Wie etwa Gelder für das Göttinger JuZi, ein linksradikales Jugendzentrum in der Innenstadt, von dem das niedersächsische Innenministerium bereits seit 2018 Erkenntnisse darüber vorliegen hat, daß die dem kommunistischen Bündnis „Ums Ganze“ angehörende Gruppe Redical (M) die Räume für Veranstaltungen nutzt und die dortigen Teilnehmer bei gewalttätigen Demonstrationen mitlaufen. Auch Aktions- und Blockadetrainings wurden im JuZi mehrfach durchgeführt, das von der Stadt per linker Ratsmehrheit auch im Haushaltsjahr 2023 mit jährlich 120.000 Euro unterstützt wird. Hinzu kommen auf Antrag des JuZi weitere 7.000 Euro Zuschuß für Veranstaltungen.

Das JuZi ist als Anlaufpunkt idealer Rückzugs- und Rekrutierungsort für die linksradikale Szene, die sich im Schutze eines weitgehend zustimmenden universitären Umfeldes im Verlauf der Jahre ausbreiten konnte.

Ein weiterer Rückzugsort: das Studentenwohnheim in der Roten Straße. Über einen gemeinnützigen Verein, der als Mittler zwischen den Bewohnern und dem Studentenwerk fungiert, konnten die einstigen Hausbesetzer erreichen, daß sie sich ihre Mitbewohner selbst aussuchen können. Auf diese Weise wurde ein Unterschlupf für radikale Kampfgenossen geschaffen.

Immerhin: Im Göttinger Stadtrat formiert sich Widerstand

Keine hundert Meter davon entfernt hat sich die Bundeszentrale der Roten Hilfe im Hans-Litten-Archiv eingerichtet. Verfassungsschutzbehörden stufen den Verein als extremistisch ein und sehen in ihm eine Unterstützergruppe für Gewalttäter. In dem Gebäude befindet sich auch der Sitz der örtlichen Linkspartei sowie der DKP.

Als weiteres linksradikales Zentrum in der Universitätsstadt gilt der Rote Buchladen. Von hier aus werden etwa Tickets zu Demo-Fahrten erworben. Der Laden selbst wirkt auf den ersten Blick wie ein gewöhnliches Buchgeschäft, das sich nur durch seine linkslastige Literatur abhebt. Erst der Gang in den Keller des Geschäfts enthüllt seinen radikalen Kern. Poster von der Roten Hilfe hängen da. Postkarten von „links unten“. Ein Plakat mit der Aufschrift: „Rote Flora bleibt besetzt.“ PKK- und „Antifa-Area“-Plakate. Die Zeit, sich dort umzusehen, ist kurz. Eilige Schritte auf der Treppe nach unten. „Was suchen Sie denn?“, kommt auch schnell die Frage vom Ladenverkäufer.

Immerhin: Im Göttinger Stadtrat hat sich inzwischen zum Leidwesen der linksradikalen Uni-Szene eine Art Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP gebildet. Mit Folgen. Als „Aktivisten“ kurz vor der niedersächsischen Landtagswahl die ehemalige Justizvollzugsanstalt der Stadt besetzt hatten, bat das SPD-geführte Innenministerium um Zurückhaltung, bat darum, mit dem Räumen bis Montag nach der Wahl zu warten, damit „keine häßlichen Bilder“ entstünden. Die SPD-Oberbürgermeisterin ließ, unterstützt von örtlicher CDU und FDP, trotzdem vorher räumen. Das war neu. Ein Sieg des Rechtsstaats im Zentrum linker Uni-Anarchie.

Foto: Antifa-Studenten demonstrieren in einem Hörsaal der Universität Hamburg: Über Begrüßungsprogramme werben linksextreme Organisationen bereits unter Erstsemestern