© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Haltungsnote
Geräusche im Orchestergraben
Florian Werner

Obwohl die Bayreuther Festspiele schon längst wieder vorbei sind, hört man noch immer ein Grummeln aus dem Orchestergraben. Der Grund dafür ist aber nicht die Katerstimmung bei den Blechbläsern, die mal wieder zu tief ins Glas geguckt haben. Nein, diesmal haut der Maestro höchstselbst auf die Pauke. „Entschuldigung, aber wo kommen wir denn da hin?“, empört sich Stardirigent Christian Thielemann in der Welt.

Richard Wagners Urenkelin Katharina Wagner hatte zuvor bei Proben angeregt, eine Stelle im „Lohengrin“ mit Berufung auf den „besonderen politischen Hintergrund“ des Hauses künftig anders zu singen. Statt „Führer“ schmettert der Heldentenor nun „Schützer“. Das hat mit Adolf Hitler zu tun, der seinerzeit sozusagen Dauergast auf dem Festspielhügel war. Thielemann will das nicht gelten lassen. „Wenn ich sehe, mit welcher Akribie das durchgezogen wird, würde ich von konservativer Politik schon erwarten, daß sie sagt: Jetzt kümmern wir uns erst einmal darum, daß das Land vernünftig funktioniert, bevor wir darüber nachdenken, welche Werke der Weltliteratur man umschreiben könnte.“

Während Thielemann auf Hilfe von Politikern wie Friedrich Merz wartet, kann er im nahe gelegenen Biergarten „Sonnenhof“ einkehren, um ein, zwei oder auch siebzehn Hefeweizen zu trinken. Denn da kann er lange warten. Vielleicht trifft er dort ja auch das schwere Blech.