© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Idee der Woche
Einfach einverlaibt
Peter Freitag

Krisen können die Kreativität fördern. Beispiel dafür ist Bäcker Michael Tenk aus dem Kreis Borken in Westfalen. Seine Branche leidet derzeit unter Inflation sowie den gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen. Den Ofen zu heizen kostet mittlerweile ein Vielfaches des vorher Üblichen; aber wenn die Bäcker ihrerseits die Preise massiv erhöhen, weichen viele Kunden aus Sorge um den eigenen Geldbeutel zur Fabrikware beim Discounter aus. Was also tun? Meister Tenk setzt auf das, was man sonst eher vom Sport kennt: Sponsoring. Einem Bericht des WDR zufolge läßt der Borkener Bäcker eine bestimmte Sorte Brot von einem örtlichen Baubetrieb finanziell bezuschussen; im Gegenzug macht Tenk in seinem Geschäft Werbung für die Firma aus dem anderen Gewerk. Profitieren von dieser Hilfe auf Gegenseitigkeit können vor allem die Kunden. Für einen Laib „Inflationsbrot“ bezahlen sie  nun lediglich 3,95 statt 4,45 Euro, die 50 Cent Differenz finanziert Tenks Werbepartner aus der Baubranche. Andere Betriebe, andere Ideen – aber dasselbe Ziel: der Preistreiberei trotzen. Auch Bäcker Mario Fritzen in Kürten im Rheinischen Kreis hat dem WDR sein Rezept eines „Inflationsbrots“ verraten: weniger teure Zutaten. „Ein Brot ohne viel Schnickschnack, lecker und mit 2,50 Euro deutlich günstiger als andere“, sagte der Handwerksmeister dem Sender. Sein Kollege Roland Schüren aus dem Kreis Mettmann bietet seit neuestem ein günstiges „Anti-Inflationsbrot“ an. Weil er dem Teig mehr Restbrot als sonst üblich beimischt, spart er teure Rohstoffe und kann günstiger verkaufen. Nachhaltiges „Upcycling“ würde man das in den hippen Großstadtvierteln nennen. Aber Hauptsache, es schmeckt und macht satt. Doch bei aller Freude über den Ideenreichtum der Branche fordert Nordrhein-Westfalens Bäckerinnung „eine staatliche Deckelung der Gas- und Strompreise auf ein wirtschaftlich verträgliches Niveau“.