© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Der Flaneur
Zuversicht vermitteln
Elke Lau

Wenn uns die Berichte über Corona, Krieg und Genderismus zu sehr auf den Zünder gehen, besuchen wir unsere Oase: das Arboretum, einen zwei Hektar großen Uni-Lehrgarten, in dem Gehölze aller Erdteile gehegt und gepflegt werden.

Mandschurische Aprikose, Kaukasus-Nordmannstanne, Tokyo-Kirsche, Butternußbaum – um nur einige zu nennen. Besonders der Stamm der Morgenländischen Platane beflügelt unsere Phantasie. Es ist menschenleer und still, denn Besucher mit Hunden und Fahrrädern sind nicht erwünscht.

„Es hat funktioniert!“ erklärt er freudestrahlend, als wir ihn eine Woche später wiedersehen.

Ein Seitenweg führt in die Reha-Klinik. Er wird überwiegend von Patienten genutzt, die am Seerosenteich mit Froschgequake ihre anwendungsfreie Zeit verbringen. Wie jetzt ein Rollstuhlfahrer, der einsam neben einer leeren Bank sitzt und vor sich hin starrt. Wir grüßen freundlich, fragen vorsichtig, ob wir ihn stören. „Im Gegenteil, dann habe ich wenigstens eine kleine Ablenkung. Sind Sie auch auf Kur?“ – „Nö, wir wohnen hier in der Nähe.“

Ihm ist das Herz voll. Ein Sturz von der Leiter beim Säubern der Dachrinne scheint ihn wohl für immer an den Rollstuhl gefesselt zu haben, die Reha ist für mindestens acht Wochen geplant. Weit weg von zu Hause, Heimweh plagt ihn, seine Frau kann ihn nur selten besuchen, sie ist berufstätig. Jeden Abend klagt er ihr sein Leid, aber sie schafft es nicht, ihn zu trösten.

Mein schwarzer Humor meldet sich zu Wort. „Da würde ich mich graulen, den Hörer abzunehmen“. Ich greife aber mitfühlend nach seiner Hand. „Ihre Frau hat doch ebenfalls einen schweren Stand. Versuchen Sie lieber, Zuversicht auszustrahlen. Hören Sie auf einen Erwachsenen. Gleich heute abend.“

Ich erzähle ihm vom Schicksal eines Bekannten, der in jungen Jahren ein Bein verloren hatte. Bei einem unserer Besuche saß er auf dem Balkon und knackte Nüsse. In Ermangelung eines Nußknackers benutzte er seine abgeschnallte Prothese.

Unser Kurgast lacht gequält. „Danke, ich versuche, Ihren Rat zu befolgen.“

„Es hat funktioniert!“ erklärt er freudestrahlend, als wir ihn eine Woche später verabredungsgemäß wiedersehen.