© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Der Mann, den es nicht gab
Kino: Der englische Spielfilm „Die Täuschung“ erzählt eine der verwegensten geheimdienstlichen Operationen der Militärgeschichte nach
Dietmar Mehrens

Hätte Alfred Hitchcock diesen Film gedreht, vielleicht wäre er dann in den Fünfzigern unter dem Titel „Der Mann, den es nicht gab“ in die deutschen Kinos gekommen. „Die Täuschung“ klingt vergleichsweise uninspiriert. Im Original heißt der Streifen „Operation Mince-meat“. Das war der Tarnname der Briten für die Geheimdienstaktion, um die sich in diesem spannenden Spionagekrimi alles dreht. 

„Die Täuschung“ führt zurück in das Kriegsjahr 1943. Die Alliierten planen die Invasion in Sizilien und suchen nach einer List, durch die der Verlust an Menschen und Material bei der Landung klein gehalten und ein grausames Massaker verhindert werden kann. Die Geheimdienstoffiziere Ewen Montagu (Colin Firth) und Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen) knobeln eine verwegene Verwirrungsstrategie aus, in deren Mittelpunkt ein Toter steht: der Mann, den es nie gab, der aber erfunden werden muß, um die Deutschen zu überlisten. Das Ziel ihrer Geheimoperation: das Oberkommando der deutschen Wehrmacht glauben machen, die bevorstehende Landung werde in Griechenland erfolgen. 

Ben Macintyre, Autor der gleichnamigen Buchvorlage, erläutert die Details: „Die Finte, für die die Briten sich entschieden, bestand darin, eine Leiche zu beschaffen und ihr eine komplett falsche Identität zu geben, indem sie sie als eine völlig andere Person verkleideten. Der Leichnam sollte in eine Militäruniform gesteckt und als Sonderkurier ausgegeben werden, der mit dem Flugzeug über dem Mittelmeer abgestürzt ist.“ Anschließend mußte nur noch dafür gesorgt werden, daß der Tote dann NS-Agenten in die Hände fiel. „Die Briten wollten die Leiche mit einer Militärattaché-Brieftasche ausstatten“, so Macintyre, „die den Eindruck erwecken würde, daß die gewaltige Invasions-Armada, die auf das europäische Festland zusteuerte, Griechenland anvisiere und nicht Sizilien. Es ging also darum, die Nazis auf die falsche Fährte zu locken.“ 

Der britische Regisseur John Madden hat den historischen Stoff zu einem klassischen Genrefilm im Stil von „Spion zwischen zwei Fronten“ (1966) oder „Spion für Deutschland“ (1956) verarbeitet. Nicht Kriegshandlungen stehen im Blickpunkt, sondern die Strippenzieher im Hintergrund. In kleineren Rollen sind Winston Churchill (Simon Russell Beale) und James-Bond-Erfinder Ian Fleming (Johnny Flynn) zu sehen. Präzise zeichnet Madden, der sich bereits bei „Corellis Mandoline“ (2001) der Verfilmung einer Weltkriegsthematik angenommen hatte, Idee, Planung und Ausführung von Operation Mincemeat nach und baut subtil Spannung auf. Die aparte Jean Leslie (Kelly Macdonald) sorgt dafür, daß in der rauhen Männerwelt der Militärs auch Platz für Romantik bleibt: Sowohl Montagu als auch Cholmondeley finden Gefallen an der loyalen Kollegin. Doch selbst dieser Konflikt läßt die beiden Hauptfiguren selbstredend nie ihre feinen englischen Manieren und ihre patriotischen Pflichten vergessen.

Kinostart ist am 26. Juni 2022