© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

„Betrifft die gesamte Gesellschaft“
Rassismusmonitor: Eine Studie des DeZIM-Instituts beklagt einen allgegenwärtigen Rassismus in Deutschland
Björn Harms

Wie rassistisch ist die Gesellschaft in Deutschland? Am vergangenen Donnerstag stellte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gemeinsam mit der Direktorin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut), Naika Foroutan, die lang erwartete Untersuchung „Rassistische Realitäten“ vor. Hierbei handele es sich um „die erste repräsentative Studie in Deutschland“ zu diesem Thema, gaben die Vortragenden stolz zu Protokoll. „Rassismus ist Alltag in Deutschland“, erklärte Foroutan. „Er betrifft nicht nur Minderheiten, sondern die gesamte Gesellschaft, direkt oder indirekt.“

Eingeleitet hatte die Studie vor zwei Jahren der Kabinettsausschuß zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus unter Vorsitz von Angela Merkel (CDU). Die Große Koalition beauftragte damals das DeZIM-Institut, einen Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) zu erstellen. Die neue Ampel-Regierung bestätigte das Vorhaben in ihrem Koalitionsvertrag. Mehr noch: Die vorliegende Studie soll nur der Auftakt sein. Ab 2023 werde regelmäßig ein Rassismusbericht erscheinen, versprechen die Beteiligten. Für die erste Erhebung wurden nun von April bis August 2021 insgesamt 5.003 Personen im Alter zwischen 14 und 92 Jahren telefonisch befragt.

Als Leiter der Forschungsgruppe fungierte der Diplom-Sozialwirt Cihan Sinanoglu, der seine linke Ideologie ganz offen zur Schau stellt. „Antifa im Kiez schützt mehr als Polizei“ oder „Supportet eure lokalen Antifa-Gruppen“, teilt er etwa auf Twitter mit. Rassismus sei, wie er in einem früheren Interview klarstellte, „keine Frage von ein paar Nazis und der AfD, sondern ist tief verankert in der Mitte der Gesellschaft“. Die Ergebnisse des Rassismusmonitors passen somit ins Bild.

Bürger fühlen sich durch Rassismusvorwürfe gegängelt

Rund 22 Prozent der Befragten geben an, schon einmal von Rassismus betroffen gewesen zu sein.  Fast jeder vierte stimmt „voll und ganz“ der Aussage „Rassismus ist Alltag in Deutschland“ zu, 34,5 Prozent meinen „eher ja“. 16,6 Prozent bejahen „voll und ganz“, daß wir in einer rassistischen Gesellschaft leben, 32,2 Prozent stimmen der Aussage „eher zu“. Nur 35 Prozent der Befragten meinen, noch nie in irgendeiner Form – weder als direkt noch als indirekt Betroffener – mit Rassismus in Berührung gekommen zu sein. 

Doch wenn fast jeder fünfte aller Befragten behauptet, rassistische Erfahrungen gemacht zu haben, impliziert das natürlich auch, es könnten die an der Umfrage teilnehmenden Deutschen angegeben haben, rassistisch beleidigt worden zu sein. Als „rassifiziert“ – so nennen die postkolonialen Wissenschaftler des DeZIM-Instituts den Vorgang, bei dem Personen aufgrund ihres Aussehens eine Rasse zugeschrieben bekommen – gelten den Studienautoren jedoch nur „schwarze Menschen, Juden, Muslime, Asiaten, Osteuropäer sowie Sinti und Roma“. 

Unter diesen Bevölkerungsgruppen geben 58 Prozent an, schon einmal Rassismus erlebt zu haben. Doch auch Personen, die sich keiner dieser Identitäten zuordnen, beklagen, rassistische Erfahrungen gemacht zu haben – immerhin 16,7 Prozent von ihnen. Das Problem: Rassismus gegen Deutsche gibt es laut den Wissenschaftlern des DeZIM-Instituts gar nicht. Statt also eine mögliche Erklärung für die 16,7 Prozent zu liefern, weicht man aus: Die Antworten der „Nicht-Rassifizierten“, so heißt es in der Studie, „scheinen einem Rassismusbegriff zu unterliegen, der um andere Formen der Ungleichbehandlung und Diskriminierung erweitert wird“. 

Gleichzeitig räumen die Autoren ein, daß auch „Ereignisse ohne rassistischen Bezug subjektiv als Rassismus eingestuft werden“ könnten. Durch eine bloße telefonische Befragung ist natürlich nicht klar, ob eine rassistische Handlung tatsächlich stattgefunden hat. Man vertraut der Aussage des Befragten, die ohne weiteres nicht überprüfbar ist. 

Da unter den 14- bis 24jährigen der sechs „rassizifierten Gruppen“ rund 73,4 Prozent angeben, rassistische Erfahrungen gemacht zu haben, unter den über 65jährigen jedoch nur 24,2 Prozent und es unwahrscheinlich ist, daß die Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch rassistischer geworden ist, dürfte es erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung dessen geben, was überhaupt rassistisch ist. Vielfach kommt dieser Vorwurf heutzutage bereits bei der Frage nach der Herkunft auf. 

Die entsprechenden antirassistischen Lobbygruppen jedenfalls definieren Rassismus längst nicht mehr als rein individuelle Haltung oder Handlung, sondern verstehen es als unterdrückerisches System, „das mit der Absicht entstanden ist, eine bestimmte Weltordnung herzustellen“, wie etwa die Autorin Alice Hasters schreibt. „Die Vorstellung, wonach es menschliche ‘Rassen’ gibt, ist im Denken der Aufklärungstheoretiker entstanden“, heißt es dazu in der Studie des Rassismusmonitors. Die „grundlegende Funktion“ dieser Erfindung sei die „Rechtfertigung von Kolonialisierung und kolonialer Sklaverei in Zeiten der parallelen Entwicklung von Gleichheits- und Freiheitsidealen“ gewesen. Daß es so etwas wie Rassen gebe, sei „wissenschaftlich längst widerlegt“.

Doch so manche Antworten aus der Studie entsprechen nicht den Vorstellungen der Wissenschaftler: Fast die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent) glaubt an die Existenz menschlicher Rassen. Ein Drittel bejaht, daß gewisse ethnische Gruppen oder Völker „von Natur aus fleißiger“ seien als andere. Die Studienautoren sind alarmiert. Sie schlagen „eine Schul- und Bildungsoffensive“ vor, „die dem Ziel dient, rassistische Denkweisen zu verlernen“. Auch weitere Antworten bereiten dem DeZIM-Team offensichtlich Unbehagen. Immer mehr Bürger fühlen sich durch Rassismusvorwürfe gegängelt. 

Fast die Hälfte der Bevölkerung (45 Prozent) stimmt der Aussage zu, daß Rassismusvorwürfe und „politische Korrektheit“ die Meinungsfreiheit einschränken würden. Ebenfalls 50 Prozent finden es „eine Frechheit, wenn Personen wie Martin Luther oder Kant jetzt Rassismus vorgeworfen wird“. Über die Hälfte meinen, daß man heutzutage „schon bei jeder Kleinigkeit als Rassist abgestempelt wird“. Fast zwei Drittel aller Befragten (63,4 Prozent) finden es zudem „absurd, daß einem Rassismus unterstellt wird, wenn man lediglich fragt, wo jemand herkommt“. Daß die Leute mit ihrer Kritik recht haben könnten, weisen die Studienautoren zurück. Sie sind sich sicher: Hier finde eine „Bagatellisierung von Rassismus“ statt.





Demokratiefördergesetz

Es gehe um „Empowerment“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vergangene Woche mit Blick auf das geplante Demokratiefördergesetz. Nun klingt das englische Wort besser als „Ermächtigung“, zumal im Zusammenhang mit einem Gesetz. Das „friedliche Zusammenleben in unserem Land“ werde „in besorgniserregender Art und Weise beschädigt“, vor allem von rechtsextremen Demokratiefeinden, heißt es in einem Papier des Ministeriums. Deswegen soll der Bund „gesetzlich ermächtigt werden, eigene Maßnahmen zur Demokratieförderung zu ergreifen, zivilgesellschaftliche Vorhaben zu fördern“, so das neue Vorhaben der Ampel-Regierung. Im Klartext geht es also in erster Linie um Geld. Damit sich „zivilgesellschaftliche“ Initiativen nicht ständig neu für die Fördertöpfe bewerben müssen, soll mit dem „ Demokratiefördergesetz eine bedarfsorientierte, längerfristige und altersunabhängige Förderung ermöglicht werden“. Dadurch wolle man „bewährte Strukturen aufrechterhalten“. Über 200 Organisationen und Personen wurden um eine Stellungnahme gebeten – mutmaßlich solche, die dann von der langfristigen Förderung profitieren können. Wer genau, wollte das Ministerium nicht mitteilen. Die JUNGE FREIHEIT wird weiter nachhaken – notfalls juristisch. (vo)

Foto: Naika Foroutan, Lisa Paus und Frank Kalter: „Rassismus ist Alltag in Deutschland“