© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/22 / 18. März 2022

Grüße aus … Santiago de Cuba
Perspektive: Hunger
Alessandra Garcia

Carlos Lazo ist US-Amerikaner mit kubanischen Wurzeln und meint es gut mit dem Land seiner Väter. Deswegen hat er eine Solidaritätsaktion für Havannas Kinderkrankenhäuser gestartet, die er „Puentes de Amor“ („Brücken der Liebe“) nennt und als deren Ergebnis immerhin 15.000 Pfund Milchpulver per Charterflug von Miami nach Havanna transportiert werden konnten. Die kubanischen Kommunisten feiern diese Aktion, weil Lazo auch ein Ende der Wirtschaftsblockade durch die Biden-Regierung fordert.

Was sie aber uns Kubanern verschweigen: Die USA sind weiterhin der Lebensmittellieferant Nummer 1 für unsere Insel. Hühnchenfleisch, eines der begehrtesten Lebensmittel, wird vorrangig aus den USA importiert. Ebenso Sojabohnen, Ketchup, Futterkonzentrat. Insgesamt kaufte Kuba allein im vergangenen November Lebensmittel für rund 27,7 Millionen US-Dollar beim Klassenfeind ein, das waren fast 17 Millionen Euro mehr als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Noch interessanter ist die Steigerung, wenn man sich die Zahlen vom November 2019 ansieht. Damals wurden lediglich Lebensmittel für knapp drei Millionen US-Dollar eingekauft. Diese Steigerung von 834 Prozent läßt sich nicht mit Preissteigerungen erklären, sondern allein mit der Erhöhung des Lieferumfangs.

Solange die Kommunisten regieren, bleibt Kuba ein Faß ohne Boden, in dem alle Hilfslieferungen versickern.

Insgesamt lieferten die USA in den vergangenen zwei Jahrzehnten alljährlich landwirtschaftliche Produkte im Wert von durchschnittlich 329 Millionen US-Dollar, was zeigt, wie löchrig die Wirtschaftsblockade ist. Geregelt wird dieser Verkauf durch den „Trade Sanctions Reform and Export Enhancement Act“ aus dem Jahr 2000, der auf Druck amerikanischer Farmen zustande kam, die nicht auf das für sie lukrative Geschäft mit Kuba verzichten wollten. Denn die Kommunisten müssen bar und im voraus bezahlen, weswegen das klamme Regime bei jeder Gelegenheit auch über die „diskriminierenden“ Handelspraktiken klagt.

Ohne Lebensmittellieferungen aus dem Ausland wären auf der Insel längst Hungerrevolten ausgebrochen. Und auch Aktivist Carlos Lazo bezeichnete die Lieferung der fünf Tonnen Milchpulver als „Sandkorn in einem Meer von Bedürfnissen“. Mit anderen Worten: Solange die Kommunisten die Insel regieren, bleibt sie ein Faß ohne Boden, in dem alle Hilfslieferungen und gut gemeinten Investitionen spurlos versickern. Für 2022 sieht der Haushaltsplan den Import von 2,2 Millionen Tonnen Nahrungsmitteln vor. Das sind 200.000 Tonnen weniger als 2020, weil „der prognostizierte Preisanstieg die Kaufkraft des Landes verringert“, so der zuständige Minister. Die Kubaner selbst reiben sich ungläubig die Augen: Wie kann eine Regierung fünf Impfstoffe entwickeln lassen, aber ihren Bewohnern nicht ausreichend Lebensmittel anbieten?