© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

Die Seuchengewinnler
Corona-Politik: Wenn die Zeichen nicht trügen, endet demnächst die staatliche Gängelung
Konrad Adam

Die Pandemie ist auf dem Rückzug. Dänemark öffnet die Grenzen, die Schweizer lockern die Zwangsmaßnahmen, die Engländer sehen dem Freiheitstag entgegen, Europa atmet auf. Die Deutschen erinnern sich an die Rechte, die ihnen zwei Jahre lang vorenthalten worden sind, fordern sie zurück, nehmen sie auch schon wahr. Immer mehr Ärzte entziehen sich der Corona-Bürokratie, das Pflegepersonal macht nicht mehr mit, ist auch durch Bonus-Zahlungen kaum noch zu erreichen, Gastwirte und Hoteliers haben es satt, Gesundheitspolizei zu spielen, und winken ihre Gäste häufig einfach durch – kurz: der zivile Widerstand kommt gut voran.

Die Spahns und Lauterbachs und wie die kleinen Tyrannen sonst noch heißen gelten nicht mehr viel, die Freiheitsrechte dafür um so mehr, und wenn es so weitergeht, werden wir in ein paar Wochen ins normale Leben zurückfinden. Alles ist auf dem besten Weg – für uns zumindest, für die Bürger; die anderen, die Macht- und Geldhaber, reagieren verdrießlich. Das Auslaufen der Zwangswirtschaft gefällt ihnen nicht, sie fürchten um das, was ihnen mehr als alles andere am Herzen liegt, um den Besitz von Macht und Geld.

Alte Tyrannen-Weisheit kommt zu neuen Ehren 

Wie die fatalen Kriegsgewinnler gibt es ja auch die genauso fatalen Seuchengewinnler. Für sie war Corona eine Goldgrube, ein glänzendes Geschäft, dessen Abflauen sie in Panik versetzt. Was es bisher noch nie gegeben hat: grellfarbene Plakate, die vorschreiben, wer wann wo welche Maske zu tragen hat, und Polizeistreifen, die dafür sorgen, daß die Bürger auch parieren, das gibt es jetzt. Die Obrigkeit, in Deutschland immer schon von Gottes Gnaden, will die Gewinne, die ihr die Seuche zugespielt hat, nicht so bald wieder hergeben. Das Frankfurter Edelmistblatt (Martin Walser) plädiert für das Beibehalten der Maskenpflicht, will sie am liebsten noch ein bißchen ausweiten, die Öffentlich-Rechtlichen sind ohnehin seit eh und je derselben Meinung, die roten und die grünen Politmenschen auch. Von einer Exit-Strategie will Ministerpräsident Winfried Kretschmann kein Wort hören, während die SPD genauso einfallslos, wie sie vor Jahren Arbeit! Arbeit! Arbeit! skandiert hatte, jetzt Impfen! Impfen! Impfen! ruft. So sieht der Fortschritt aus, den beide Parteien wagen wollen.

Die Machthaber reagieren wie die einfallslosen Ärzte, die immer mehr vom gleichen verordnen. Wenn die erste Dosis nicht wirkt, dann eben die zweite; wenn auch die nicht hilft, dann die dritte, der sogenannte Booster; danach die vierte Auffrischung, und so ständig weiter, die fünfte oder sechste Dosis ist ja schon in Sicht. Wie diese Roßkur wirkt und was sie bringt, ist fraglich; daß sie den Pfizers, AstraZenecas und Johnson & Johnsons die Kassen füllt, den Gesundheitshändlern saftige Provisionen beschert und dem Bundesgesundheitsminister den Auftritt auf allen Kanälen beschert, ist aber ziemlich sicher. Deshalb geht das Theater weiter, auch wenn die Leute ungeduldig werden. Sie merken, was da gespielt wird, und fragen sich, ob es denn mit dem Impfen nie mehr aufhört. Soll es doch gar nicht, würden die Spielmacher sagen, wenn sie ehrlich wären.

So wie das Blut ein ganz besonderer Saft ist die Gesundheit ein ganz besonderes Gut. Wenn man den Leuten lange genug eingeredet hat, daß für die Gesundheit kein Aufwand zu groß und kein Opfer zu hoch ist, dann geben sie freiwillig her, was ihnen sonst kaum unter Zwang hätte abgepreßt werden können. Dann lassen sie sich an die Kette legen und sind auch noch dankbar dafür. Dann verzichten sie zusammen mit dem Genuß der Freiheit auch auf den Gebrauch ihrer Vernunft. Dann stehen Machtmenschen wie der Ärztefunktionär Frank Ulrich Montgomery plötzlich als Wohltäter der Menschheit da, und der für seine rüden Geschäfts-praktiken übel beleumdete Bill Gates darf sich im Ruf des Philanthropen sonnen. Warum auch nicht? Kann man es ihm und seinesgleichen verdenken, wenn sie die Gelegenheit, sich auf so billige Art einen guten Namen zu verschaffen, nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen?

Die vielen Guten stehen aber doch nur deshalb so gut da, weil es so viele Schlechte gibt: das Licht der einen strahlt um so heller, je dunkler der Schatten auf die anderen fällt. Divide et impera! Teile und herrsche. Die alte Tyrannen-Weisheit ist unter dem Regiment der Corona-Profiteure zu neuen Ehren gekommen. Für die peinlichen Verlegenheiten und die endlosen Pannen, die Fehlgriffe und die Blamagen, die sich im Laufe von zwei Jahren angesammelt haben, muß ja doch irgendwer verantwortlich sein, und weil es die Guten per definitionem nicht sein können, müssen es die Bösen sein, die Impfmuffel, die Maskenverweigerer, die Querdenker und wie sie sonst noch heißen.

Im Stil der klassischen Kriegsrhetorik wird das Volk aufgeteilt in „Wir“ und „Die“, in Willige und Unwillige, in Freunde und Feinde, und wer das Pech hat, auf der falschen Seite zu landen, dem wird das Fell über die Ohren gezogen. Unsere Musterdemokraten sind da nicht zimperlich, sie versprechen öffentlich, den Muffeln das Leben so unerfreulich wie möglich zu machen, und streichen dafür auch noch Beifall ein. Das Drohen, Denunzieren und Bestrafen ist nicht nur erlaubt, es ist geboten, denn die Not, das haben die Herrscher von Carl Schmitt gelernt, die Not kennt kein Gebot. Das Überwachen und das Nachverfolgen, das Drangsalieren und das Kujonieren wird zur Aufgabe des Staates. Er darf, er muß die Menschen sogar einsperren, wenn er das Quarantäne oder Homeoffice nennt.

Wissenschaft lebt vom Wettbewerb und Widerspruch

All das natürlich nicht im eigenen Namen, dazu fehlt den Politikern der Mut; vielmehr unter Berufung auf eine höhere Macht, die Wissenschaft. Nur daß es diese Macht nicht gibt, zumindest nicht im Singular. Was es gibt, ist die scientific community, die große internationale, heterogene Gemeinschaft der Wissenschaftler, die selbstverständlich nicht mit einer einzigen Stimme spricht. Sie lebt vom Widerspruch, kultiviert den Wettbewerb um die bessere Idee, das stärkere Argument, das elegantere Verfahren, stellt deshalb auch keine Wahrheit in Aussicht, sondern nur mehr oder weniger plausible Wahrscheinlichkeiten. Politikern ist das jedoch zu wenig. Sie wollen die Bürger gängeln und an die kurze Leine nehmen, wenn sie es wagen, zu widersprechen. Mit Hypothesen schaffen sie das nicht, dazu braucht es den großen Knüppel, den Befehl. Deswegen muß die Impfpflicht her, und wenn sie auch für dieses Mal zu spät kommt, so liegt der Knüppel doch fürs nächste Mal bereit.

Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch-Instituts, wird dem nicht widersprechen, er steht einer Behörde vor und muß am Ende liefern, was von ihm verlangt wird. Ein Mann wie Christian Drosten, der Freund des Testens und Fürsprecher der Impfkampagne, ist aber freiwillig dabei. Für ihn hat sich die Sache ja auch ausgezahlt, sein Einsatz an der Corona-Front hat ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse eingetragen, vor allem aber bundesweite Bekanntheit. Wenn ich höre, wie er und seine Fachkollegen vor der Presse oder in einer Talkshow ihr Fachwissen herauskehren, dann muß ich an Ernst August von Hannover denken, der einst Professoren mit Huren verglich, die man überall für Geld haben könne. „Sie gehen dorthin, wo man ihnen einige Groschen mehr bietet.“

Groß ist der Fortschritt seither nicht gewesen.

Foto: Covid-19-Maßnahmen: Passantin mit Maske vor einem Schaufenster in der Innenstadt von Frankfurt am Main