© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Ländersache: Sachsen
Dresdens Schmuck bleibt verschwunden
Paul Leonhard

Anderthalb Millionen Euro stehen noch immer zur Verfügung. Vorerst bis zum 31. März. Wer Hinweise über den Verbleib der aus der einstigen Schatzkammer Augusts des Starken entwendeten Kleinodien geben kann, soll reich belohnt werden. Doch die Hoffnung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, eines der 21 geraubten Schmuckstücke von ob ihrer historischen Bedeutung unschätzbarem Wert zurückzuerhalten, ist gering.

Vergangene Woche begann vor dem Landgericht Dresden der Prozeß. Die beiden Hauptverdächtigen, Wissam und Ahmed Remmo, 25 und 23 Jahre alt und Mitglieder eines arabischstämmigen Familienclans, sind der Polizei seit langem bekannt. In den vergangenen Jahren wurden sie für nachgewiesene kriminelle Handlungen immer wieder zu Jugendarrest, Freizeitauflagen, Dauerarrest und Führerschein-

entzug verurteilt. Und eigentlich hätten sie den Einbruch ins Grüne Gewölbe im Dresdner Residenzschloß gar nicht begehen können, wenn denn der deutsche Rechtsstaat einmal Biß gezeigt und die beiden bereits wegen des Raubs der legendären hundert Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum Angeklagten nicht aus der Untersuchungshaft entlassen hätte. So aber blieb ihnen genug Zeit, bevor sie im März 2020 jeweils zu viereinhalbjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, noch am 25. November 2019 jenen spektakulären Raub durchzuziehen, der den Sachsen, so Innenminister Roland Wöller, „ein Stück ihrer kulturellen Identität“ kostete.

Angesichts der Tatausführung gehen die Ermittler und Staatsanwaltschaft davon aus, daß neben Wissam und Ahmed Remmo sowie weiteren vier Männern aus dem Familienclan, die derzeit vor der Jugendkammer – zwei der Angeklagten waren zur Tatzeit noch nicht 21 Jahre alt – stehen, noch andere Personen beteiligt waren.

Daß die Ermittler der Sonderkommission „Epaulette“ – benannt nach einem ebenfalls verschwundenen, mit einem drei mal drei Zentimeter großen Diamanten von 49 Karat besetzten Schulterstück – überhaupt den Tätern auf die Spur kamen, ist deren Schlampigkeit zu verdanken. Trotz aller Vorsicht hinterließen sie am Tatort DNA-Spuren und verzichteten dann auch noch darauf, ihr zweites Fluchtfahrzeug, einen als Taxi getarnten Mercedes, ebenfalls abzufackeln. Das taten sie erst, als die Berliner Polizei das scheinbar herrenlose Fahrzeug sichergestellt hatte. Erneut wurde DNA gesichert. Dazu kommt die erfolgreiche Auswertung von Telekommunikationsdaten. Ein Jahr nach der Tat konnten bei einer Großrazzia in Berlin drei tatverdächtige Remmos festgenommen werden, in den folgenden Monaten weitere drei.

Aber trotz des Einsatzes von 1.600 Polizisten aus acht Bundesländern und der Durchsuchung von Wohnungen, Cafés und Garagen wurde keine Spur der in Dresden geraubten Schmuckstücke von historischer Bedeutung gefunden. Zwar liegt der Versicherungswert der aus rund 4.300 Diamanten und Brillanten bestehenden Schätze bei rund 114 Millionen Euro, aber Szenekenner trauen dem Remmo-Clan durchaus zu, die Broschen und Schmuckteile einfach zerlegt und die Edelsteine einzeln verkauft zu haben.