© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Die Religionsfreiheit steht auf dem Spiel
Finnland: Die langjährige Innenministerin Päivi Räsänen muß sich wegen angeblicher Haßrede vor einem Gericht in Helsinki verantworten
Josef Hämmerling

Finnland gilt als eines der Länder mit einer tiefverwurzelten Rede- und Religionsfreiheit. Dennoch müssen sich am 24. Januar die langjährige christdemokratische Innenministerin Päivi Räsänen sowie der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Missionsdiözese Finnlands (ELMDF), Juhana Pohjola, wegen angeblicher Haßrede und Diskriminierung vor einem Gericht in Helsinki verantworten. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem 49jährigen darüber hinaus Aufwiegelung gegen eine Gruppe von Menschen vor.

Die ELMDF ist eine religiöse Vereinigung von Kirchen, die sich aufgrund von Lehrfragen von der finnischen Nationalkirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands, getrennt hat. Sie hatte 2004 das von Räsänen geschriebene Buch „Male and Female He Created Them: Homosexual Relationships Challenge the Christian Concept of Humanity“ (Männlich und weiblich hat er sie geschaffen: Homosexuelle Beziehungen stellen das christliche Menschenbild in Frage) veröffentlicht. Es ist ein wichtiger Teil des Gerichtsverfahrens, da sowohl Räsänen als auch Pohjola sich mehrfach öffentlich auf dieses Buch bezogen und daraus zitiert haben.

„Diese Entscheidung des Generalstaatsanwalts sagt viel über unsere Zeit aus“, sagte Pohjola im vergangenen Jahr gegenüber der Zeitung The Reporter. „Ich bin zwar besorgt über den Zustand der Religionsfreiheit in unserem Land, aber ich vertraue darauf, daß die Justiz die richtige Entscheidung treffen wird.“ Dennoch sagte der Bischof kürzlich gegenüber Christianity Today, er sei sehr besorgt über die Folgen, die das Gerichtsverfahren für Einzelpersonen in Finnland haben könnte. Vor allem befürchtet er eine Selbstzensur, die auf Angst beruht. „Ich fürchte nicht so sehr den Ausgang des Gerichtsverfahrens, sondern das starke Signal, das es vielen gibt: zu schweigen“, sagte er dem Magazin. Pohjola meinte weiter, er glaube an die „gottgegebene Würde, den Wert und die Menschenrechte derjenigen, die sich als Homosexuelle identifizieren“, aber er halte auch an der biblischen Überzeugung fest, daß gleichgeschlechtliche Handlungen sündhaft seien und nicht der Wahrheit entsprächen.

Räsänen ihrerseits erklärte gegenüber Christianity Today, sie sei überrascht, daß sie wegen ihrer Ansichten zu diesen Themen strafrechtlich verfolgt werde und ihr deswegen sogar eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren drohe. „Strafrechtlich angeklagt zu werden, weil ich meine Überzeugungen geäußert habe, kommt mir unwirklich vor“, betonte  sie. „Ich sehe nicht, daß ich in irgendeiner Weise Homosexuelle verleumdet hätte, deren Menschenwürde und Menschenrechte ich ständig zu respektieren und zu verteidigen erklärt habe.“ 

Der Generalstaatsanwalt wirft der 62jährigen insbesondere einen Tweet vom 17. Juni 2019 vor, in dem sie Römer 1, 24-27 zitierte, in dem Homosexualität als Sünde verurteilt wird. 

An dieser Stelle heißt es: „Darum hat sie Gott auch dahingegeben in die Begierden ihrer Herzen, zur Unreinheit, so daß sie ihre eigenen Leiber untereinander entehren, sie, welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschten und dem Geschöpf Ehre und Gottesdienst erwiesen anstatt dem Schöpfer, der gelobt ist in Ewigkeit. Amen! Darum hat sie Gott auch dahingegeben in entehrende Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; gleicherweise haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind gegeneinander entbrannt in ihrer Begierde und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfangen.“