© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/21 / 17. Dezember 2021

Bewährt und sicher
Konventionelle Impfstoffe als Alternative zu gentechnisch erzeugten Corona-Vakzinen
Jörg Schierholz

Die Parteien der Ampel-Koalition haben mit Unterstützung zahlreicher Unionsabgeordneter eine Impfpflicht für Pflege- und medizinische Berufe ab 15. März 2022 beschlossen. Kritiker sehen das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 als „Lizenz zum Gelddrucken“ für die Hersteller der mRNA-Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna, denn in Deutschland werden weit überwiegend diese beiden Corona-Impfstoffe eingesetzt. Doch weltweit werden laut der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa 330 Impfstoffentwicklungsprojekte vorangetrieben.

Von den global verabreichten sieben Milliarden Covid-Impfdosen entfällt beinahe die Hälfte auf die konventionellen Totimpfstoffe von Sinovac und Sinopharm aus China, die inaktivierte Sars-CoV-2-Viren nutzen. Im Gegensatz zu den genannten mRNA- und den Vektorimpfstoffen (Astrazeneca, Sputnik V, Johnson & Johnson), welche das Spike-Protein des Virus von körpereigenen Zellen bilden lassen, richtet sich die Immunreaktion von Totimpfstoffen gegen die Gesamtheit der Coronavirus-Strukturen. Doch CoronaVac von Sinovac hat laut WHO nur eine Wirksamkeit von 51 Prozent bezüglich der Verhinderung symptomatischer Erkrankungen – das liegt deutlich unterhalb von Astrazeneca oder Biontech.

Zwei Drittel der Vakzine wurden in China verimpft, der Rest vorwiegend nach Indonesien, Pakistan, in die Türkei und nach Südamerika verschickt. Eine nachlassende Immunität war offensichtlich der Grund, warum 2021 trotz guter Impfquoten in diesen Ländern steigende Covid-19-Infektionen registriert wurden. Laut der EID Clinic in Bangkok sank drei Monate nach der zweiten CoronaVac-Impfung die Antikörperprävalenz auf nur noch zwölf Prozent, deutlich weniger als bei den mRNA-Vakzinen. Deshalb empfahl die WHO-Impfexpertengruppe (SAGE) eine schnelle Boosterimpfung für Personen ab 60.

„Eine seit 60 bis 70 Jahren eingesetzte Impfstofftechnologie“

Grundsätzlich lösen alle zugelassenen Impfstoffe komplexe Immunreaktionen aus, welche neben den neutralisierenden Antikörpern die B-Zellen und T-Zellen umfassen, die ein langlebiges Immungedächtnis haben. Die T-Zell-Reaktion von Sinovac erwies sich dann als gleichwertig mit denen der mRNA-Vakzine. Die Relevanz der T-Zell-Aktivierung wird durch eine Analyse der Massenimpfkampagne mit CoronaVac in Chile verdeutlicht, welche im Vergleich zu den mRNA-Vakzinen nur einen geringen Rückgang der Wirksamkeit gegen symptomatische Erkrankungen aufwies. Grundsätzlich gilt für alle verwendeten Vakzine, daß die Antikörpertiter und der Schutz vor Ansteckungen mit der Zeit abnimmt, der Schutz vor schweren Erkrankungen und Tod aber länger aufrechterhalten wird.

Mit zunehmendem Alter wird das Immunsystem schwächer. Impfstoffe haben es dann schwerer, eine Immunreaktion auszulösen. Eine Analyse von einer Million in Brasilien ins Krankenhaus eingelieferten Patienten ergab für CoronaVac bis zu einem Alter von 79 Jahren einen Schutz von 60 Prozent gegen schwere Covid-Verläufe, bei Patienten über 80 Jahren sind es nur noch 30 Prozent, verglichen mit 67 Prozent bei einer Astrazeneca-Impfung. Dies hat die brasilianische Regierung dazu bewogen, über 60jährige mit einem mRNA- oder Vektorimpfstoff zu boostern. Alternativ wird überlegt, statt mit einem Drei-Dosierungs-Schema zu arbeiten lieber zwei Dosen verschiedener Impfstoffe zu kombinieren, um eine längere Aktivierung des Immunsystems zu erreichen. Dies könnte die Impfstoffknappheit in armen Ländern lindern. China bietet dazu die Verwendung des Adenovirus-Vektorimpfstoffs von CanSino Biologics an, welcher im Vergleich zu CoronaVac zu höheren Antikörperspiegeln führt.

Bei dem Totimpfstoff der französisch-österreichischen Firma Valneva (JF 44/21) handelt es sich „um eine klassische, seit 60 bis 70 Jahren eingesetzte Impfstofftechnologie mit bewährten Verfahren und sehr hoher Sicherheit“, schreibt die EU-Kommission, welche kürzlich einen Vertrag zur Lieferung von mehr als 27 Millionen Dosen des Valneva-Präparats unterzeichnete. Da diese Technologie auch bei den meisten Grippeimpfstoffen verwendet wird, ist der Impfstoff bei denjenigen, die gegen die mRNA-Technologie Bedenken hegen – etwa FC-Bayern-Fußballprofi Joshua Kimmich oder die frühere Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht –, eine valide Alternative.

Allerdings sind Totimpfstoffe häufig weniger immunogen, weshalb sie in der Regel mit Immunverstärkern (Adjuvanzien) versehen werden, die möglicherweise bei einigen die Verträglichkeit vermindern. Das Valneva-Vakzin zeigt eine statistisch signifikant bessere Wirkung als der Astrazeneca-Impfstoff, aber in einer Studie bei Patienten mit einem kurzen Impfabstand war die immunogene Wirkung geringer als bei den Wettbewerbspräparaten. Die Zulassungsverfahren laufen in Großbritannien und bei der EU-Behörde EMA, die Auslieferung kann frühestens im April 2022 beginnen.

Auch der Proteinimpfstoff Nuvaxovid (NVX-CoV2373) des US-Unternehmens Novavax könnte eine Alternative sein. Das Vakzin enthält künstlich hergestellte Teile des Spike-Proteins auf der Oberfläche von Sars-CoV-2. Damit werden im Gegensatz zu den mRNA- und den Vektorimpfstoffen, die den genetischen Bauplan für das Spike-Protein in menschliche Zellen bringen, bei Novavax fertige Teile des Virus-Proteins injiziert. In der Zulassungsstudie mit 30.000 Teilnehmern wurde eine ähnliche Wirksamkeit und eine vergleichbare Verträglichkeit wie bei den mRNA-Impfstoffen erreicht. Indonesien und die Philippinen haben Nuvaxovid bereits zugelassen. Eigentlich sollten in diesem Jahr bereits Millionen Novavax-Impfdosen in den USA ausgeliefert werden. Aber die Zulassung in Amerika und Europa verzögert sich wegen Herstellungsproblemen.

Protein-Impfstoffe sind noch im EU-Zulassungsverfahren 

Auch Sanofi ist noch im Rennen. Der aus Hoechst und den Behring-Werken hervorgegangene Pharmakonzern beendete aber kürzlich die Entwicklung eines mRNA-Impfstoffs, da der Vorsprung von Biontech und Moderna für die Vermarktung zu groß wären. Der proteinbasierte Impfstoff von Sanofi und GlaxoSmithKline (GSK) mit gentechnisch hergestelltem Antigen und einem Adjuvans ist allerdings auf dem Weg zu einer Zulassung im Rolling-Review-Verfahren bei der EMA. Beide Firmen verspielten aber ihren zeitlichen Vorsprung, da mit fehlerhaften Reagenzien zur Produktcharakterisierung gearbeitet wurde, die zu Falschdosierungen in den frühen klinischen Studien führten. Kuba (JF 26/21) und Taiwan nutzen heimisch hergestellte, klinisch effektive Proteinvakzine für ihre nationalen Impfbemühungen.

Die globale Impfallianz CEPI hatte bereits mehr als eine Milliarde US-Dollar in die Entwicklung fünf proteinbasierter Covid-19-Impfstoffe investiert, etwa bei den Firmen Clover, Novavax und SK Bioscience. „Die Welt braucht diese proteinbasierten Impfstoffe, um die gefährdeten Bevölkerungsgruppen ärmerer Länder zu erreichen“, forderte Nick Jackson, CEPI-Leiter für innovative Technologien. All diese Impfstoffen sind noch in der Entwicklung. Und es ist noch nicht klar, ob sie effektiv und sicher eingesetzt werden können.

 valneva.com/

 cepi.net

 www.novavax.com

Foto: Impfstoff von Novavax: Nächstes Jahr kommen Neuentwicklungen auf den Pharmamarkt