© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/21 / 17. Dezember 2021

Verarmt durch die Festungshaft
Als einziger führender Kapp-Putschist wurde Traugott von Jagow zu einer Haft verurteilt
Jürgen W. Schmidt

Am 21. Dezember 1921 verurteilte das Reichsgericht in Leipzig den studierten Juristen und vormaligen Berliner Polizeipräsidenten Traugott von Jagow (1865–1941), welcher sich Wolfgang Kapp während dessen Putsch gegen die Reichsregierung als Innenminister zur Verfügung gestellt hatte, zu fünf Jahren Festungshaft wegen Hochverrats. Weil sich von Jagow als einziger führender Kapp-Putschist den Behörden stellte und freimütig zu seiner Verantwortung bekannte, dabei als sein Handlungsmotiv „selbstlose Vaterlandsliebe“ angab, verurteilte das Leipziger Gericht Jagow nur wegen „Beihilfe zum Hochverrat“ und zwar zur gesetzlichen Mindeststrafe von fünf Jahren. 

Die Haft verbüßte Jagow in der pommerschen Festungshaftanstalt Gollnow. Traugott von Jagow selbst hatte mit einem wesentlich härteren Urteil gerechnet und selbst die Todesstrafe für sich nicht ausgeschlossen. Indessen wurde von Jagow bereits im Jahr 1924 amnestiert, war aber infolge der finanziellen Folgen der Haft, weil er seine Haftkosten während der Festungshaft selbst tragen mußte und er sein nur kleines Vermögen in der Inflation verloren hatte, seitdem fast gänzlich mittellos. Zudem wurde die weitere Auszahlung seiner Beamtenpension gestrichen, wogegen von Jagow allerdings erfolgreich vor dem Reichsgericht klagte.

Sowjets wollten mit Kapp gegen die Polen kämpfen

Nach Anbruch des Dritten Reiches glaubte Jagow irrtümlich, daß jetzt seine politische Rehabilitation erfolgen müsse. Aber die Nationalsozialisten hatten für den von ihnen als finsteren Reaktionär angesehenen Jagow nichts übrig, weil er sich in den zwanziger Jahren im monarchistischen „Bund der Aufrechten“, der 1934 von den Nationalsozialisten verboten und aufgelöst wurde, engagiert hatte. Seine politische Rehabilitation scheiterte folglich, und wegen einer Neuberechnung der Haftkosten mußte Jagow gar noch über 4.000 Mark nachzahlen. Der zeitlebens ledige Jagow lebte deshalb sehr zurückgezogen in Berlin und veröffentlichte 1937 als Privatdruck die Schrift „Verrückte Welt. Persönliches aus und nach der Kapperhebung“. Am 15. Juni 1941 verstarb er in Berlin, wurde aber auf seinen letzten Wunsch hin in seiner Heimatstadt Perleberg beigesetzt. 

Wenig bekannt ist, daß man 1920 in der Sowjetunion den „rechten“ Kapp-Putsch in seiner Bedeutung gänzlich anders bewertete, als man vermuten sollte. Man entsandte nämlich sogleich einen geheimen Emissär namens Viktor Kopp nach Berlin, der mit der Kapp-Regierung über eine gemeinsame Militäroperation gegen die wegen der ostdeutschen Gebietsabtretungen verfeindeten Republik Polen verhandelte, mit der sich die Sowjets seit 1919 im Krieg befanden. Dabei sollte Deutschland für die Sowjetunion, die gerade zur Gegenoffensive gegen die Polen östlich von Minsk und Kiew mobilisierte, die polnischen Truppen von Westen in die Zange nehmen. Hier deutete sich bereits der spätere Hitler-Stalin-Pakt von 1939 an.