© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/21 / 17. Dezember 2021

Kampfschwimmer voran!
Nach schweren Niederlagen der italienischen Marine gegen die britische Royal Navy konnten italienische Spezialeinheiten im Dezember 1941 spektakuläre Erfolge erzielen
Thomas Schäfer

Als das Königreich Italien am 10. Juni 1940 seinen „Parallelkrieg“ gegen Großbritannien und Frankreich eröffnete, verfügte die Marine des Regno d’Italia über sechs Schlachtschiffe, 19 Kreuzer, 59 Zerstörer, 67 Torpedoboote und 116 U-Boote. Allerdings wurden diese Einheiten ohne ein klares strategisches Konzept auf See geschickt. Außerdem gab es Rivalitäten mit den Luftstreitkräften, woraus mangelnde Unterstützung durch selbige resultierte. Hinderlich war des weiteren auch die ständige Gängelung seitens des Flottenkommandos der Regia Marina. Gleichzeitig hatten die Briten durch ihre mit Radargeräten bestückten Kreuzer haushohe Vorteile bei Dunkelheit. Dazu kam im September 1940 noch der Einbruch in das italienische Verschlüsselungssystem. Trotzdem konnten die italienischen Seestreitkräfte der Royal Navy anfangs noch Paroli bieten. Davon zeugen unter anderem die unentschieden verlaufenen Seeschlachten bei Punta Stilo und Kap Teulada im Juli und November 1940.

Dann freilich mehrten sich die Niederlagen in Nachtgefechten. Und schließlich sorgte auch der verheerende britische Luftangriff auf die Schlachtflotte in Tarent, bei dem die Regia Marina auf einen Schlag die Hälfte ihrer Schlachtschiffe verlor und das Kräfteverhältnis im Mittelmeer sich für mehrere Monate zugunsten der Royal Navy verschob, für Zurückhaltung: Um die verbliebenen schweren Einheiten zu schonen, wurden ab Anfang 1941 fast nur noch Zerstörer und Torpedoboote mit dem Schutz der Konvois nach Nordafrika betraut, was dazu führte, daß zuletzt mehr als 60 Prozent der Transportschiffe mit Nachschub für die deutsch-italienische Panzerarmee verlorengingen. Deshalb begann die Regia Marina, sukzessive auch maritime Kleinkampfmittel einzusetzen, um die britischen Schlachtschiffe auszuschalten und so die Übermacht des Gegners zu brechen.

Dabei griffen die Italiener auf ihre positiven Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Am 1. November 1918 hatte ein von Capitano del Genio Navale Raffaele Rossetti gemeinsam mit dem Tenente Medico Raffaele Paolucci konstruierter und gesteuerter bemannter Torpedo namens „Mignatta“ (Blutegel) das österreichisch-ungarische Schlachtschiff „Viribus Uniti“ versenkt. Dieses Gerät entwickelten die beiden Marineoffiziere Teseo Tesei und Elias Toschi ab 1935 zum Siluro a lenta corsa (Langsam laufenden Torpedo, SLC) weiter. Das Unterwassergefährt, welches später den Spitznahmen „Maiale“ (Schwein) erhielt, konnte maximal 30 Meter tief tauchen und 250 Kilogramm Sprengstoff tragen. Am 10. Juli 1939 wurde die erste SLC-Kampfgruppe zur Decima Flottiglia MAS abkommandiert. Hierbei handelte es sich um eine Spezialeinheit der Regia Marina, zu der später auch noch die Kampfschwimmergruppe Gamma und die Kleinst-U-Boote CB 1 bis CB 6 mit jeweils vier Mann Besatzung kamen.

Italienische „Torpedoreiter“ gegen britische Schlachtschiffe

Als Träger für die SLC, deren Aktionsradius lediglich zehn Seemeilen betrug, fungierten speziell umgebaute große U-Boote wie die „Iride“, „Gondar“, „Ametista“ und „Scirè“. Dabei gelangen den „Torpedoreitern“ des letzteren Bootes, welches seit Oktober 1940 unter dem Kommando von Capitano di fregata Fürst Junio Valerio Borghese stand, die größten Erfolge. Einer ihrer Einsätze, die Operation G.A. 3, sollte sogar das gesamte Kräftegleichgewicht im Mittelmeerraum eine Zeitlang zugunsten der Achsenmächte verschieben.

In der Nacht vom 18. zum 19. Dezember 1941 setzte die „Scirè“, die bei ihren Missionen stets strenge Funkstille wahrte, unbemerkt drei SLC vor der Basis der britischen Mediterranean Fleet in Alexandria aus. Danach vollbrachten Tenente di vascello Luigi Durand de la Penne und Capo palombaro Emilio Bianchi das Kunststück, trotz Motorschadens bis zur Bordwand des Schlachtschiffes „Valiant“ vorzudringen und dort die Sprengladung ihres „Maiale“ anzubringen. Der zweite SLC mit Capitano del Genio Navale Antonio Marceglia und Sottocapo Spartaco Schergat wiederum erreichte das Schlachtschiff „Queen Elizabeth“, dessen Schiffsboden ebenfalls vermint wurde. Und Tenente Vincenzo Martellotta sowie Capo palombaro Mario Marino vom SLC 222 plazierten ihre Zeitzünderbombe unter dem Tanker „Sagona“.

Weil Bianchi und de la Penne aufgrund von Sauerstoffmangel auftauchen mußten, gerieten sie bereits in britische Gefangenschaft, bevor die Ladungen zwischen 5.54 und 6.04 Uhr detonierten. Hingegen konnten die anderen vier Italiener zunächst unbemerkt an Land gelangen, wo sie jedoch später der Polizei in die Hände fielen.

Durch die Explosionen sackten die „Valiant“ und die „Queen Elizabeth“ auf ebenem Kiel auf Grund, während die „Sagona“ ihr Heck verlor und die Druckwelle noch den daneben liegenden Zerstörer „Jervis“ beschädigte. Die beiden außer Gefecht gesetzten Schlachtschiffe standen erst im späten Frühjahr 1943 wieder zur Verfügung. Deshalb verbesserten sich die strategische Situation der Regia Marina und die Nachschubversorgung der deutsch-italienischen Truppen in Nordafrika Anfang 1942 deutlich – zumal das deutsche U-Boot U 331 am 25. November 1941 auch noch das britische Schlachtschiff „Barham“ vor der ägyptischen Küste versenkt hatte. Allerdings konnten die Alliierten ihre Verluste bald wieder ausgleichen und nachfolgend die Kontrolle über den Mittelmeerraum erlangen.

Nach dem Waffenstillstand Italiens gegenüber den Alliierten am 8. September 1943 blieb die Kampfschwimmereinheit in ihrem Stützpunkt bei La Spezia kampfbereit. Ihr Kommandeur Junio Valerio Borghese befahl, die Einrichtungen der Flottille notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen, grundsätzlich aber den Krieg auf deutscher Seite fortzusetzen. Er stellte es seinen Soldaten frei, mit der Flottille gegen die Alliierten weiterzukämpfen oder den Verband zu verlassen. Borghese schloß mit deutschen Stellen ein Abkommen, das seinen Soldaten unter deutschem Oberbefehl eine weitgehende Autonomie zugestand.

Foto: Italienisches Unterseeboot auf Kriegsfahrt im Mittelmeer, März 1942: Der Royal Navy Paroli bieten