© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/21 / 17. Dezember 2021

Postkolonial durchsäuerte Wissenschaftsgeschichte
Praxisrelevante Forschungen
(ob)

Nicht nur an den großen Universitäten der Kolonial- und Handelsmetropolen des Kaiserreichs, sondern auch an den „Kleinstadtuniversitäten der Peripherie“ seien Wissenschaftler als „Kolonial- und Auslandsexperten“ tätig gewesen. Abgesehen davon, daß allenfalls Hamburg zu wilhelminischer Zeit eine „Kolonialmetropole“ war, wo aber erst, genau wie in den „Handelsmetropolen“ Frankfurt und Köln, 1919 eine Universitätsgründung stattfand, hat der Tübinger Geograph Carsten Gräbel immerhin zutreffend beobachtet, daß Gelehrte mit vollem Ernst tatsächlich „anwendungsbezogene“ Forschung treiben. Dieses reichlich bekannte, wissenschaftshistorisch in sämtlichen Disziplinen, von der Augenheilkunde über die Indologie bis zur Zoologie nachweisbare Phänomen des Strebens nach „Praxisrelevanz“ ist natürlich gerade den unter dem Dach der „Kolonialwissenschaften“ versammelten Fächern wie Geographie oder Tropenmedizin nicht fremd (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 9/10-2021). Insofern ist Gräbels Pionierstudie über die „Kolonialpraktiker“ der Universität Tübingen kaum originell. Sie eröffnet aber einen tiefen Einblick in die geistig anspruchslose „postkoloniale“ und „antirassistische“ Ideologie, die die Aufbereitung dieser bislang vernachlässigten „Orchideenfächer“ künftig durchsäuern dürfte. 


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