© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/21 / 17. Dezember 2021

Selbstzensur heißt nun Impulskontrolle und Debattenfähigkeit
Vermessung der Cancel Culture
(dg)

Läßt sich die in der westlichen Öffentlichkeit, in der Kulturszene, den Medien und Hochschulen sich ausbreitende Zensurpraxis der „Cancel Culture“ wirklich empirisch belegen? So fragen die Soziologin und „Genderforscherin“ Paula-Irene Villa (München) sowie ihre Kollegen Richard Traunmüller (Mannheim) Matthias Revers (Leeds) in einem dem Thema Wissenschaftsfreiheit gewidmeten Heft von Aus Politik und Zeitgeschichte (46/2021), dem Organ der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Ergebnis ihrer aufwendigen, auf das Meinungsklima an den Universitäten konzentrierten Untersuchung hätte kaum kümmerlicher ausfallen können. Nicht zuletzt, wie es rechtfertigend heißt, weil der Begriff derart vage und mehrdeutig sei, daß er zwar politisch funktioniert, sich aber wissenschaftlich nicht operationalisieren lasse. Methodische Schwierigkeiten würden also klare Aussagen noch nicht zulassen. Bisher sei die Forschung nicht gut gerüstet, um die Komplexität der spezifischen Diskussionskultur an Massenuniversitäten abzubilden. Angesichts der „sensiblen Natur“ des Themas freie Meinungsäußerung unter Einbeziehung ethnischer und sexueller Minderheitengruppen seien Studenten zudem „möglicherweise nicht bereit, die Wahrheit darüber zu sagen, was sie als akzeptable Meinungsäußerung empfinden“. Deshalb könnte der wahrgenommene Konformitätsdruck die befragten Probanden viel weniger tolerant erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Ihre Zurückhaltung mit dem normativen Begriff „Selbstzensur“ zu belegen sei daher unzulässig. Besser passe und rationaler klinge „Impulskontrolle, ethische Kompetenz, akademische Bildung und Debattenfähigkeit“. 


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