© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/21 / 17. Dezember 2021

Anhaltende Zahlungsprobleme im chinesischen Immobiliensektor
Schlechtes Omen
Thomas Kirchner

Schon seit September zeichnete sich ab, daß der chinesische Immobilienkonzern Evergrande seine ausländischen Anleger nicht bezahlen würde. Am 7. Dezember lief die 30tägige Karenzfrist für eine Zinszahlung von 82,5 Millionen Dollar auf zwei internationale Anleihen ab. Doch eine Kettenreaktion an den Finanzmärkten blieb aus (JF 40/21). Und seither ließen zehn weitere Immobilienkonzerne ihre Zinszahlung ausfallen. Eine Mini-Panik ließ daher die Zinsen auf Anleihen riskanter chinesischer Emittenten von acht auf 22 Prozent steigen, dies hatte aber keine Auswirkungen auf andere Rentenmärkte. In diesem Jahr sind schon internationale Anleihen im Wert von zehn Milliarden Dollar ausgefallen, ein Drittel davon aus dem Immobiliensektor. 

Goldman Sachs hat berechnet, daß chinesische Immobilien mit einem Gesamtwert von 62 Billionen Dollar die wertvollste Anlageklasse der Welt sind. Das ist etwa doppelt so groß wie der US-Immobilienmarkt (34 Billionen Dollar). Der chinesische Immobiliensektor war Treiber des Wirtschaftswachstums nicht nur im Reich der Mitte selbst. Neben direkten Exporten geht deutsche Technik an Rohstoffexporteure und Transportfirmen auf der ganzen Welt, die China beliefern. Ein dortiger Immobiliencrash wird sich auch auf andere Wirtschaftszweige auswirken. Auch Infrastruktur wurde aus dem Boden gestampft. Deshalb ist die entscheidende Frage: Wie reagiert die Pekinger Planwirtschaft auf die Krise?

Zur Stützung der Immobilienbranche senkte die Zentralbank PBC die Zinsen und reduzierte Reserveanforderungen der Banken um 188 Milliarden Dollar. Es war der übliche Versuch, Geldpolitik zur Behebung nicht-monetärer Probleme einzusetzen. Erfolgversprechender ist die Reduzierung von Beschränkungen, mit denen der Sektor eingedämmt werden sollte. Denkbar wären auch Änderungen von Infrastrukturprogrammen, deren Schwerpunkte im Digitalen liegen, in Richtung Straßen- und Schienenbau. Neben einem Rückgang von Chinas Wirtschaftsleistung droht der deutschen Exportwirtschaft Gefahr von der „China First“-Politik von Staatschef Xi Jinping. Ausländische Kleinunternehmer wie Restaurateure verloren schon reihenweise ihre Lizenzen und mußten das Land verlassen, Familien wurden zerrissen.

Die Lizenzen der großen Kasinos in der Sonderwirtschaftszone Macau laufen im Juni 2022 aus. Und Xi hat bereits angedeutet, daß er künftig mehr chinesische Kasinoeigner möchte. Das ist ein schlechtes Omen für die großen US-Mogule der Branche. Profitieren dürften Xis Verwandte und verdiente KP-Funktionäre. Kommt es wirklich zu einem Wirtschaftseinbruch in China, dürften auch deutsche Firmen künftig noch stärker aus dem chinesischen Markt verdrängt werden. Westliche Unternehmen in China klagen ohnehin seit Jahren über Technologiediebstahl und sogar den Verlust ganzer Unternehmenssparten durch Betrug. Außer freundlichen Gesten ist aber nichts passiert.

Die Hoffnungen von vor 20 Jahren, Chinas Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO würde zu Liberalisierung und Demokratie führen, wurden durch Xis nationalkommunistische Diktatur zunichte gemacht. Die derzeitigen Probleme der Immobilienbranche böten die Gelegenheit, Druck auf das Land auszuüben, endlich Handelsbarrieren abzubauen und Rechtsstaatlichkeit einzuführen. Doch die Angst vor einem kurzfristigen Exporteinbruch wird einen langfristigen, strategischen Ansatz verhindern.