© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/21 / 17. Dezember 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Grüne haben den Schwarzen Peter
Paul Rosen

Die Besetzung der Vorsitzendenposten der Bundestagsausschüsse erfolgt nach einem einzigartigen Verfahren: Nicht etwa die jeweilige Mehrheit bestimmt, wer welches der insgesamt 25 dieser Gremien leiten darf, sondern diese Posten werden nach der Größe der Fraktionen vergeben. Dies erfolgt in mehreren Runden. Zuerst darf die größte Fraktion zugreifen, dann die zweitgrößte, dann die drittgrößte und so weiter, bis der letzte Ausschußvorsitz vergeben ist.

Ausschußvorsitze sind begehrte Posten für diejenigen, die kein Minister- oder Staatssekretärsamt mehr abbekommen haben. So soll der bisherige Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) den Vorsitz im Haushaltsausschuß übernehmen, der traditionell der größten Oppositionsfraktion zusteht. Versorgungsposten spielen inzwischen auch in der Grünen-Fraktion eine immer größere Rolle. Da ihr bisheriger Fraktionschef Anton Hofreiter beim Ministerklüngel leer ausging, soll er mit einem Ausschussvorsitz abgefunden werden. Ausschußvorsitzende haben im Vergleich zu anderen Abgeordneten ein größeres Büro und die Gelegenheit zu zahlreichen Auslandsdienstreisen auf Kosten der Steuerzahler.

Beim Sturm auf die Spitzenposten griff die Union zuerst nach dem Haushaltsausschuß, die SPD nach dem Auswärtigen Ausschuß und die FDP nach dem Vorsitz im Verteidigungsausschuß. Was danach geschah, ist inzwischen zu einem parlamentarischen Possenspiel geworden. Die Grünen waren an der Reihe und hätten sich den wichtigen Innenausschuß sichern können. Daran war ihr Kandidat Hofreiter offenbar nicht interessiert. Er wollte lieber den Europaausschuß. Die Grünen überließen folglich der AfD in der nächsten Runde den Zugriff auf den Innenausschuß. 

Daß die AfD diesen Vorsitz bekommen soll, stieß bei anderen Fraktionen auf Kritik: „Ausgerechnet die AfD, die selbst zur Hälfte vom Verfassungsschutz beobachtet wird, soll künftig die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitsbehörden leiten. Da wird der Bock zum Gärtner gemacht“, empörte sich die CSU-Politikerin Andrea Lindholz, die diesen wichtigen Ausschuß in den vergangenen vier Jahren völlig unauffällig geleitet hatte. Die Linken-Innenpolitikerin Martina Renner forderte bereits, es müsse verhindert werden, daß die AfD den Ausschuß übernimmt.

Die Empörung ist scheinheilig. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies zu Recht auf das Versagen der anderen Fraktionen hin. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann argumentierte mit Ausflüchten, verwies auf die angeblich besondere Wichtigkeit der Umsetzung des EU-Klimapakts. 

Die AfD-Fraktion soll darüber hinaus auch den Gesundheitsausschuß und den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung besetzen dürfen. Die Vorsitzenden werden in der Regel von der zum Zuge gekommenen Fraktion vorgeschlagen und per Akklamation bestätigt. Nur in den Ausschüssen mit AfD-Vorsitz fand in der vergangenen Legislaturperiode eine Wahl statt.