© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/21 / 03. Dezember 2021

Grüße aus … Budapest
Hochburgen der Lebensfreude
Thorsten Brückner

Auch im Ausland will der Bayer auf nichts verzichten, was er von zu Hause kennt. Vor allem der Mangel an gutem, preiswertem Bier setzt der weiß-blauen Seele fern der Heimat zu. Ungarn ist da keine Ausnahme, wo sich wenige Großbrauereien den Markt aufteilen, deren Gerstensaft jeweils über eine Gemeinsamkeit verfügt, nämlich daß er ungenießbar ist. 

Um so mehr freut sich der bayerische Migrant daher über die seit mehreren Jahren aus dem Boden schießenden Craft-Beer-Lokale in der Donau-Metropole. Doch nicht immer ist der Gang aus dem Lokal genauso reibungslos wie der Weg dorthin. 

Obwohl die Mehrwertsteuer auf Bier in Ungarn die höchste im europäischen Vergleich ist, sind die Preise nach wie vor erschwinglich. Kein monetärer Anreiz also, die trockene Kehle mit billigem Mineralwasser anzufeuchten.

Leider kommt es da nach einem feuchtfröhlichen Abend in der Gesellschaft von Landsleuten schon mal vor, daß der fremde Besucher die Kneipe nicht nur mit weniger im Portemonnaie verläßt. Während ein vergessener Schirm in eine solche Kneipentour fast schon eingepreist ist, wird es für den weiß-blauen Gast spätestens beim Trachtenhut persönlich. Anrufe werden getätigt.

„No English“, schallt es zurück, gefolgt von den aktuellen Öffnungszeiten des Lokals. 

„Haben Sie meinen Hut gefunden“, ruft der Bayer erst auf deutsch, dann auf englisch ins Telefon. Doch nicht immer ist die Kommunikation leicht. Die Erwartung, in einer Millionenstadt im Herzen Europas spreche jeder entweder Englisch oder Deutsch, hat sich wiederholt als viel zu optimistisch herausgestellt. „No English“, schallt es zurück, gefolgt von den aktuellen Öffnungszeiten. 

Zumindest so weit reichen die Fremdsprachenkenntnisse. Dann eben per pedes. „Kalap“ ruft der Bayer dem Wirt am nächsten Tag schon von weitem zu, der gerade Speisekarten auf die Außentische verteilt. Und da ist er wieder: Der Hut, den der Bayer in besseren Zeiten als diesen auf so vielen Kirchweihen und Schützenfesten getragen hat. Eine Erinnerung an die Heimat, an die Familie. „Servus“, sagt der Wirt zum Abschied, reicht dem Bayern den Hut und schüttelt ihm die Hand. Der Mann geht auf die 60 zu, sein Gesicht strahlt Güte und Gelassenheit aus, aber auch Sorge über die unsichere wirtschaftliche Zukunft.

Während die Sonne über den Bergen Budas untergeht, macht sich der Bayer auf den Heimweg. Vorbei an Touristen, die für die letzten Herbsttage in die ungarische Hauptstadt gepilgert sind. Vorbei an den Polizisten, die wie jeden Tag das Parlamentsgebäude an der Donau bewachen. Und schließlich vorbei an den schon zu dieser vergleichsweise frühen Stunde gut gefüllten Restaurants und Pubs im sechsten und fünften Distrikt – Hochburgen der Lebensfreude. Hut ab!