© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

„Memorial“ droht Verbot in Rußland
Auch Deutsche betroffen
Moritz Schwarz

Wenn er die „offene Kriminalisierung“ der Organisation beklagt, die ihn „fassungslos macht“, meint Frank-Walter Steinmeier nicht etwa die Identitäre Bewegung in Deutschland und Österreich, obwohl die Beschreibung zutrifft. Nein, der Bundespräsident blickt ins Ausland und geißelt – zu Recht – das Vorgehen der russischen Generalstaatsanwaltschaft gegen „Memorial“, den ältesten existierenden Menschenrechtsverein des Landes, der vor einem möglichen Verbot Ende dieser Woche steht. 

Dabei ist das Vorgehen gegen die Gruppe nicht nur ein innerrussisches Thema. Memorial war von seiner Gründung 1988 an treibende Kraft bei der Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen Rußlands – zu deren Opfern ab 1944 auch Millionen Deutsche zählen, von denen heute noch Tausende leben. Zudem ist die Entwicklung des gemessen an seiner Volkswirtschaft und unserer Verteidigungs(un)fähigkeit völlig überrüsteten Riesenreichs in unserer Nachbarschaft für Deutschlands Sicherheitsinteresse entscheidend. Wir haben also nicht nur demokratisch-humanitäre, sondern ebenso und vor allem nationale Gründe, das Kesseltreiben gegen Memorial scharf zu kritisieren.

Zwar stimmt, daß westliche NGOs, wie die Soros-Stiftung, versuchen, oppositionelle Gruppen, auch Memorial, zu instrumentalisieren. Doch mit so geringem Erfolg, daß Putins rabiates Vorgehen nicht anders als paranoid und antidemokratisch genannt werden kann. Ein Umstand, der nicht nur für Memorial gefährlich ist.