© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/21 / 15. Oktober 2021

Zeitschriftenkritik: Theologisches
Homosexuelle Seilschaften in der Kirche
Werner Olles

Man mag es kaum glauben, aber es ist traurige Wahrheit: Der Priester und emeritierte Hochschullehrer für katholische Dogmatik Johannes Stöhr, verantwortlicher Redakteur der zweimonatlich erscheinenden Monatsschrift Theologisches, wurde von dem als Pfarrvikar im Erzbistum München tätigen Priester Wolfgang Rothe wegen „Volksverhetzung“ angezeigt. Vorausgegangen war ein Artikel des polnischen Priesters, Theologen und Publizisten Dariusz Oko in den beiden ersten Heften des laufenden Jahrgangs unter dem Titel „Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen“. Es handelt sich bei dem Beitrag um ein Kapitel eines 2020 auf polnisch erschienenen Buches über die sogenannte „Lavendel-Mafia“. Laut Rothe verunglimpfe der Artikel homosexuelle Menschen als „Parasiten“ und „Krebsgeschwür“, tatsächlich sei jedoch „homosexuelles Verhalten keine Sünde“, der Katholische Katechismus und die einschlägigen Dokumente der Glaubenskongregation seien „überholt“.

In Wahrheit betrafen die Äußerungen Okos aber keineswegs allgemein Menschen, die homosexuelle Neigungen haben, „sondern die Untaten homosexueller Cliquen“, wie Manfred Hauke, Herausgeber von Theologisches, in seinem Editorial der aktuellen Ausgabe (September/Oktober 2021) betont. Oko habe am Beginn seiner wissenschaftlichen Untersuchung klar formuliert, worum es geht: „Wenn homosexuelle Lobbys im Klerus so weit kommen, daß sie offensichtliche, regelmäßig kriminelle Aktivitäten begehen, werden sie zu homosexuellen Mafias“. Trotzdem erreichte Professor Stöhr im Juni 2021 ein Strafbefehl wegen „Volksverhetzung in zwei Fällen“ mit einer Gesamtgeldstrafe von 9.100 Euro, Professor Oko erhielt mit Bezug auf den ersten Teil des Beitrags einen Strafbefehl über 4.800 Euro. Selbstverständlich erhoben beide umgehend Einspruch, so daß es zu einer öffentlichen Verhandlung kommen wird.

In einem Interview mit der polnischen Zeitschrift Do Rzeczy nimmt Kardinal Gerhard Ludwig Müller unter dem Titel „Volksverhetzung oder wichtige Aufklärung?“ Stellung zu dem Beitrag von Dariusz Oko über eine kriminelle Lobby: „Als Deutscher schäme ich mich, daß es in meinem Heimatland wieder möglich ist, den Vorwurf der sogenannten Volksverhetzung zu erheben und einen polnischen Wissenschaftler zu verurteilen, weil er Fakten genannt hat.“ Die Verbrechen an jungen Männern und Jungen mit scharfen Worten zu verurteilen, sei keine Aufstachelung zum Haß, sondern ein Akt des Mutes, der Respekt verdiene.

Weitere Beiträge befassen sich mit dem Mißbrauchsskandal in der Katholischen Kirche, und Pfarrer Michael Theuerl erinnert an den vor vier Jahren verstorbenen Kardinal Joachim Meisner.

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