© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Umwelt
Flaute befeuert Kohle
Marc Schmidt

Daß die Stromerzeugung aus Windkraft- und Solaranlagen eingebrochen ist, müßte für Diskussionen sorgen. Nicht, weil diese wetterabhängig ist, sondern weil die drei Kanzlerkandidaten das Märchen wiederholen, Deutschland könne sich künftig allein aus diesen Quellen versorgen. Der Anteil konventioneller Energieträger stieg im ersten Halbjahr 2021 von 48,1 auf 56 Prozent. 2020 war die subventionierte Ökostromproduktion („Mehr Wind als Kohle!“) noch medial abgefeiert worden. Besonders stark war nun der Rückgang der Windenergie von 72,3 auf 57,1 Milliarden Kilowattstunden, dem niedrigsten Wert seit 2018 – und damals gab es weniger Windräder als heute. Kompensiert wurde die Lücke durch Kohlekraft und EU-Importe. Vernünftiger wäre es gewesen, die fehlenden Strommengen durch heimische Kernkraft zu ersetzen, doch der AKW-Anteil stieg nur leicht auf 12,4 Prozent. Deutschland hat sich durch den Atomausstieg dieser Möglichkeiten beraubt, und dieses Achtel an „klimafreundlichem“ Strom steht 2023 nicht mehr zur Verfügung.

„Stromabschaltungen anordnen und fossile Reservekraftwerke aktivieren?“

Bereits zum Jahresende werden drei der sechs verbliebenen Reaktoren – Gundremmingen C, Grohnde und Brokdorf – endgültig abgeschaltet. Die Bundesregierung ängstigt das nicht, denn die bisherigen zehn AKW-Abschaltungen hätten keinen Blackout verursacht. Und die Bundesnetzagentur habe „den Auftrag, Engpässen vorzubeugen und alle notwendigen Maßnahmen zur Netzstabilität zu treffen“. Aber diese Behörde besitzt kein einziges Kraftwerk, sie kann allenfalls Stromabschaltungen anordnen und fossile Reservekraftwerke aktivieren. Ökoinvestoren und Greta-Gläubige verlangen daher noch mehr Windenergie. Doch auch doppelt so viele Windräder produzieren keinen Strom, wenn kein Lüftchen weht. Die Hintertür – mehr Stromimporte – bleibt aber nur offen, wenn sich in der EU die „Atomlobbyisten“ durchsetzen und Kernkraft weiterhin als klimaneutral gilt. Denn Kohle und Gas werden nicht nur von Grünen als Klimakiller verteufelt.