© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Der Flaneur
Auf der Promenade
Elke Lau

Die ehemals idyllische Uferpromenade entwickelt sich zur Experimentiermeile. Bereits der erste Neubau gleicht einer schmucklosen Lotsenstation, wenn nicht die von Profis angelegte Gartenanlage dagegen spräche. 

Auch das Einfamilienhaus daneben ruft Kopfschütteln bei Passanten hervor. „Hübsch häßlich“, wie Heinz Rühmann zu sagen pflegte. Anscheinend wird es von wohlhabenden Leuten bewohnt, denn nach Weihnachten befand sich der Tannenbaum samt Kugeln und Elektrokerzen im Müll. 

Inzwischen dokumentieren mehrstöckige Häuser mit Zäunen aus Steinkörben die neue Baukunst. Glasbalkone und gardinenlose Schießscharten als Fenster geben Einblicke ins Privatleben.

Der Spruch wirkt und scheint den Mann zu verunsichern, so daß er abzieht.

Es ist noch früh am Morgen. Ein Bewohner hatte eine lebensechte Kunststoffkrähe auf die Balkonbrüstung montiert, um andere Vögel abzuschrecken. Das hält heute einen Artgenossen nicht davon ab, sich dem stillen Gesellen zu nähern und ihn vorsichtig anzupicken. Als der nicht reagiert, hüpft er auf dessen Rücken, attackiert ihn heftig und fliegt enttäuscht von dannen.

Friedlich und beruhigend der Anblick der Segelboote an den Ufern des Flusses. Soeben werden nagelneue Exemplare zu Wasser gelassen, denn die ortsansässige Werft kann  über mangelnde Aufträge nicht klagen. Ein Typ um die Dreißig mit Bierflasche in Vorhalte kommt uns entgegen. Sein Turnhemd gibt den Blick auf lückenlose Tätowierungen frei, Blechringe zieren Mund und Nase und ein Ringelschwänzchen den Hinterkopf. Uli schaut ihn belustigt an.

„Brauchste ’n Foto von mir?“ fragt der Spargeltarzan. „Gern, als Werbung für meine Geisterbahn“, kontert Uli. 

Der Mann fühlt sich wohl provoziert und hebt drohend die Faust: „Komm’ her, du Feigling! Oder hast du Schiß?“ – „Vor dir Spasti bestimmt nicht!“ 

Als Uli sich in Bewegung setzt, rufe ich ihm ironisch warnend nach: „Hau den nicht, denk an deine Bewährung!“ Mein schwarzer Humor läßt mich nie im Stich.

Der Tätowierte stutzt kurz: „Hör auf deine Alte“, grunzt er, nimmt einen Schluck aus der Buddel und trollt sich schnell davon.