© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Neue teure Doppelungen
Das ZDF auf dem Kieker: Die ARD diskutiert über die Umgestaltung der Programmpläne
Gil Barkei

Während die Politik über die Novellierung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert (JF 27/21), sickern immer mehr Details zu den künftigen Programmplänen der ARD an die Öffentlichkeit. Doch das Vorhaben ruft zunehmend Kritik hervor – auch innerhalb der Anstalten.

Die erst im Mai auf Volker Herres gefolgte neue ARD-Programmdirektorin, Christine Strobl, macht in einem internen Papier deutlich, daß sie das bisherige Schema umstellen will. Das Hauptaugenmerk möchte die Ehefrau des Landesvorsitzenden der CDU in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, und Tochter von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) dabei neben dem digitalen Ausbau auf das lineare Programm legen.

So soll für den Sonntag eine neue Wissensmarke geschaffen werden, die komplexe Themen wie beispielsweise den Klimawandel aufarbeitet. Der Montag soll jedoch relevantester Informationstag werden mit Dokumentationen und dem vom Sonntag verlegten „Weltspiegel“. Das dann nur zwei Tage später laufende ZDF-„Auslandsjournal“ läßt grüßen.

Protest von den eigenen Mitarbeitern

Dienstags soll nach den „Tagesthemen“ ein neues Talk-Format warten, das Menschen und nicht Themen in den Vordergrund stellt. Dazu laufen bereits Gespräche mit Sandra Maischberger – eine deutliche Attacke auf „Markus Lanz“ bei den Kollegen vom Zweiten in Mainz. Auch eine für den Freitagabend geplante Comedy-Sendung mit „regionalen Köpfen“ ist eine Kampfansage an das ZDF und dessen „Heute Show“, die freitags um 21.45 ausgestrahlt wird. Eine für Samstag abend ins Auge gefaßte Late-Night-Show mit Carolin Kebekus erinnert zudem an Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“.

Einige Journalisten zeigen sich angesichts der Info-Offensive von RTL und ProSieben irritiert darüber, daß Strobl anstatt den Schulterschluß der GEZ-Medien lieber den Angriff auf das ZDF wählt. Doch Strobl, die 285.000 Euro im Jahr verdient, weist den Vorwurf von sich und erinnert im Interview mit dem Branchendienst Meedia an die Verknüpfung der Mediatheken von ARD und ZDF. Es gehe vielmehr „um die Schärfung unseres Profils“. Trotzdem wolle man „ein eigenes, nutzerorientiertes Programmangebot für die ARD-Mediathek umsetzen“. Geld einsparende Zusammenlegungen sehen anders aus. Innovativ sind die Änderungen ebenso nicht: Maischberger und Kebekus verantworten bereits jeweils eine Sendung im Ersten.

Der Gebührenzahler kann sich zu Recht fragen, warum die mit Zwangsabgaben finanzierten Kanäle weitere sich gleichende Formate aufbauen, anstatt Dopplungen konsequent einzustampfen. Warum nicht eine Auslands-, eine Comedy- und eine große Gesprächs-Sendung, für die ARD und ZDF kooperieren? Die Antwort liegt auch im Widerstand der eigenen Mitarbeiter. Da zum Beispiel die sechs Polit-Magazine – „Report München“, „Report Mainz“, „Monitor“, „Kontraste“, „Fakt“ und „Panorama“ – keine große Nachfrage in der Mediathek haben, sollen deren Redaktionen weniger produzieren, sprich seltener ausgestrahlt werden, um „frei gewordene Kapazitäten für investigative filmische Formate“ nutzen zu können. Bekannte ARD-Gesichter gehen dagegen auf die Barrikaden. „Sollten Frau Strobl, die ARD-Intendant:innen oder andere tatsächlich planen, die Zahl der Politikmagazine um 30 Prozent zu kürzen, wäre dies ein Angriff auf regelmäßige regierungskritische investigative Berichterstattung“, schrieb „Monitor“-Moderator Georg Restle bei Twitter. In mehreren Briefen proben Dutzende Korrespondenten und freie Journalisten nun den Aufstand. Der Deutsche Journalisten-Verband forderte bereits „Hände weg von Politmagazinen“ und warnte: „Eine weitere Sparrunde, diesmal zu Lasten, anerkannter journalistischer Sendungen, läuft mit uns nicht.“ ARD-Chefredakteur Oliver Köhr beruhigte umgehend gegenüber Meedia: „Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen die politische Berichterstattung ausbauen und einen neuen Schwerpunkt ‘investigativen Journalismus’ schaffen.“ Allerdings liege die Herausforderung darin, „daß wir Angebote für die ARD-Mediathek brauchen. Dies gelingt am besten durch Dokumentationen und Reportagen oder andere filmische Formate“.

Und der stellvertretende Programmdirektor und Kanal-Manager der ARD-Mediathek, Florian Hager, sekundiert: „Relevanz mißt sich nicht in Sendeplätzen. Es geht uns nicht um Kürzungen, auch nicht um finanzielle, sondern darum, Angebote für die ganze Bevölkerung zu schaffen.“ Der Streit unter den Anstaltsdächern wird damit kaum beendet sein. Nachdem die Intendanten der ARD-Anstalten das neue Programmkonzept bereits beschlossen haben, beschäftigen sich nun die Fernsehdirektoren mit den Vorschlägen.