© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Berater und Anwälte freuen sich über die EU-Whistleblower-Richtlinie
Bürokratisches Monstrum
Ronald Gläser

Die EU verbessert den Schutz von Enthüllern – zumindest wenn sie Verstöße gegen das Unionsrecht melden, etwa im Bereich öffentlicher Aufträge, bei Finanzdienstleistungen, im Bereich von Produkt- oder Lebensmittelsicherheit sowie im Daten-, Gesundheits- und Verbraucherschutz. Spätestens am 17. Dezember muß die Whistleblower-Richtlinie (EU Whistleblowing Directive 2019/1937) auch in Deutschland umgesetzt werden. Endlich soll dabei auch Unternehmen ein Regelwerk vorgegeben werden, wie sie mit den Informationen von Hinweisgebern umzugehen haben. Alles gut also? Leider nicht.

Union und SPD sind sich uneins, doch die EU-Richtlinie muß in nationales Recht umgesetzt werden – und sie verdonnert Organisationen dazu, eine Vielzahl von Maßnahmen zugunsten der Regeltreue („Compliance“) zu treffen. So müssen sie Ansprechpartner identifizieren. Das mag banal klingen, ist aber nicht so simpel wie die Installation einer Frauenbeauftragten. Zunächst muß die Firma feststellen, wo mögliche Verstöße stattfinden. Werden im Vertrieb Produkte unter Wert an Freunde verkauft? Werden von der IT-Abteilung Datenschutzverstöße begangen? Wird wenigstens Mindestlohn gezahlt? Die Hinweise dürfen nicht da auflaufen, wo die Gefahr besteht, daß dort die vermeintlichen Verursacher des Problems sitzen. Dem Hinweisgeber soll ermöglicht werden, anonym zu bleiben. Gibt er seine Identität preis, so kann er diese Einverständniserklärung später widerrufen. Was dann? Zudem sind stets Mitbestimmungsrechte und der Datenschutz (etwa das Auskunftsrecht des Betroffenen) zu berücksichtigen. Kurzum: Arbeitsrechtler, Anbieter von Softwarelösungen und Unternehmensberatungen reiben sich schon jetzt die Hände.

Einziger Lichtblick: Drohen dem Hinweisgeber Repressalien, so bleibt er künftig straffrei, wenn er sich an die Öffentlichkeit wendet. Die EU-Richtlinie versucht das Unmögliche: Außergewöhnliche Situationen sollen in ein Schema F gepreßt werden. Der Staat will Dinge regeln, um Gerechtigkeit herzustellen, er schafft dabei aber ein bürokratisches Monstrum. Doch nur in wenigen Fällen wird die Situation von Bürgern wirklich verbessert. Dafür werden Behördenchefs wie Firmeninhaber landauf, landab neue Sorgenfalten wegen alberner Vorschriften bekommen – per Saldo eine Minusbilanz.