© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Fordern, nicht zu fördern
Linke Kampagne: Desiderius-Erasmus-Stiftung soll leer ausgehen
Felix Krautkrämer / Cchristian Vollradt

Die Kampagne gegen die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) reißt nicht ab. In einer gemeinsamen Erklärung haben nun verschiedene Organisationen und Gruppierungen gegen eine mögliche staatliche Förderung der Stiftung ab Herbst protestiert. Dazu zählen die Amadeu-Antonio-Stiftung und „Gesicht zeigen“, aber auch der Zentralrat der Juden in Deutschland, die Katholische Akademie Rabanus Maurus, die Bildungsstätte Anne Frank sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die „Fridays for Future“-Bewegung und Pro Asyl. 

Die Unterzeichner eint die Sorge, die DES könnte mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag Gelder in Millionenhöhe erhalten. „Die Desiderius-Erasmus-Stiftung treibt die gesellschaftliche Spaltung weiter voran, während die Aktivitäten der Stiftung darauf abzielen, das demokratische Fundament unserer politischen Ordnung zu zerstören“, mahnen die Initiatoren des Protests. „Wir werden diesem Angriff auf die Demokratie nicht tatenlos zusehen.“ Die Beteiligten fühlten sich der wehrhaften Demokratie verpflichtet, „die es in den Worten des Bundesverfassungsgerichts ‘nicht hinnehmen muß, mit ihren eigenen Mitteln verächtlich gemacht, diskreditiert und delegitimiert zu werden’“. Der Bundestag und die künftige Regierung müßten die finanzielle Förderung von Trägern der politischen Bildung oder Einrichtungen wie parteinaher Stiftungen an rechtsstaatliche Prinzipien koppeln. 

„Haßattacken auf den Leim gegangen“

„Nur diejenigen Aktivitäten dürfen staatlich finanziert werden, die eindeutig auf rechtsstaatlichem Boden agieren, die uneingeschränkte Geltung der Menschenrechte als handlungsleitend in ihrem Programm verankert haben und aktiv für den Schutz und die Stärkung der Demokratie einstehen“, fordern die Amadeu-Antonio-Stiftung und die übrigen Unterstützer. Das „schleichende Gift“, das von einer Diskursverschiebung durch die AfD-nahe Stiftung „hin zu völkischen, antisemitischen und menschenfeindlichen Positionen“ ausgehe, bedrohe die Gesellschaft im Ganzen. „Jetzt ist der Moment gekommen, sich aktiv gegen Menschenfeindlichkeit zu positionieren und zu verhindern, daß sich die Desiderius-Erasmus-Stiftung etabliert.“ DGB-Chef Reiner Hoffmann nannte es „schlichtweg absurd, wenn der demokratische Rechtsstaat diejenigen unterstützt, die ihn abschaffen wollen.“

Die Vorsitzende der DES, Erika Steinbach, wies die Anschuldigungen entschieden zurück. „Selten in meinem Leben habe ich ein Pamphlet in die Finger bekommen, das ohne jegliche Begründung und Beweise eine andere gemeinnützige Organisation, wie die Desiderius-Erasmus-Stiftung, mit unterirdischen, nicht belegten Schmähvokabeln überzieht“, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. „Es ist schon erstaunlich, daß Organisationen wie der DGB, die katholische Kirche oder der Zentralrat der Juden den beständigen Haßattacken eines Meron Mendel auf den Leim gegangen sind.“ 

Mendel ist Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und kritisiert AfD und DES regelmäßig scharf. Erst im April forderte er eine Art „Demokratie-TÜV“ für parteinahe Stiftungen, die staatliche Gelder erhalten. Die Kritik an der Stiftung ist nicht neu. Bereits im vergangenen Jahr forderten die Grünen, die staatliche Finanzierung müsse so geregelt werden, daß die von Steinbach geführte Einrichtung nicht in den Genuß öffentlicher Gelder komme. Nun fordern die 13 Organisationen die Politik auf, vor der Bundestagswahl zu handeln. 

Hintergrund ist das Scheitern des ursprünglich noch für diese Legislaturperiode geplanten „Wehrhafte-Demokratie-Gesetzes“. Die SPD wirft CDU und CSU vor, das Vorhaben durch eine „Dauerblockade“ verhindert zu haben. Nun müsse man es nach der Bundestagswahl „mit neuen Mehrheiten“ so schnell wie möglich auf den Weg bringen, kündigten die Sozialdemokraten an. Doch den Initiatoren der Allianz gegen die „rechts-braune Unterwanderung“ geht das nicht schnell genug. Sie erwarten von der Bundespolitik, noch „in „den nächsten Monaten alles“ zu unternehmen, um solch ein Gesetz zu beschließen, forderte Mendel: „Wir dürfen nicht eine Minute länger warten – es ist fünf vor zwölf.“

Am Dienstag ging Steinbach an die Öffentlichkeit, um sich gegen diesen erneuten Angriff zur Wehr zu setzen. Die Erasmus-Stiftung kämpfe „engagiert für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit, für Meinungsfreiheit“, hob die Vorsitzende hervor. Radikales, rassistisches und extremistisches Gedankengut, gleich welcher Richtung, habe in den Reihen der DES keinen Platz. Zugleich betonte sie, daß auch „Homosexuelle und Menschen mit Migrationshintergrund“ Mitglied der nach dem berühmten Humanisten benannten Stiftung sind. Besonders einen Vorwurf wies Steinbach zurück: „Niemals würde ich mich für diese Stiftung engagieren, wenn auch nur ein Hauch von Antisemitismus vorhanden wäre“, so die frühere Bundestagsabgeordnete, die seit ihrem Austritt aus der CDU parteilos ist und „seit mehr als 30 Jahren zu den ganz frühen Mitgliedern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft“ gehört. Steinbach hob außerdem noch einmal hervor, daß die DES „rechtlich, personell, organisatorisch und finanziell unabhängig von der AfD“ und auch kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist. 

Rund 600 Millionen Euro hat der Bundestag im Bundeshaushalt 2021 für die parteinahen Stiftungen eingeplant (JF 53/21). Die Desiderius-Erasmus-Stiftung ging bisher leer aus, da als Voraussetzung gilt, daß die korrespondierende Partei „wiederholt“ – sprich mehr als eine Legislaturperiode – im Bundestag vertreten ist. Dies wäre beim Wiedereinzug der AfD nach der Bundestagswahl der Fall. Der DES könnten dann laut Steinbach bis zu sechs Millionen Euro zustehen.