© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Skandälchen im Sommerloch
Paul Rosen

Ungeheuerliches melden einige Medien aus dem Bundestag: „Hitlergruß im Reichstag“ titelte die taz, von „Antidemokraten in Uniform“ ist in der Welt am Sonntag die Rede, und Spiegel Online schreibt von offenbar mehreren rechtsextremen Vorfällen bei der Bundestagspolizei.

Wer die Berichte liest, wird allenfalls vage Hinweise auf Fehlverhalten von Polizisten und weiteren Beschäftigten des Bundestages finden. So gibt es für den offenbar in internen Akten erwähnten angeblichen Hitlergruß eines Polizisten im Pausenraum der Bundestagspolizei keine Zeugen. Einer von den rund 200 Schutzleuten im Bundestag soll früher aber tatsächlich in einer den sogenannten Reichsbürgern nahestehenden Partei aktiv gewesen sein. Und wie in anderen Fällen, wo die Polizei unter Generalverdacht des Rechtsextremismus gestellt wird, üblich, ist von Chatgruppen mit rassistischen Inhalten die Rede, ohne daß es dafür Beweise geben würde. Ergebnis der amtlichen Ermittlungen in dieser Sache war bisher übrigens nur, daß der Name eines Bundestagspolizisten in einer verdächtigen Chatgruppe erwähnt worden war.

Einmal dabei wurden auch die Pförtner des Parlaments in Augenschein genommen, und tatsächlich fand man einen, der inzwischen bei der AfD-Fraktion arbeitet. Ein weiterer Pförtner, der von einer externen Sicherheitsfirma gestellt wird, soll für afrikanische Länder alte Kolonialbezeichnungen wie Deutsch-Südwestafrika benutzt haben. Und beim Besucherdienst des Bundestages hat man Mitglieder einer Berliner Burschenschaft ausgemacht.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) versicherte unmittelbar nach Veröffentlichung dieser Berichte, daß möglichen Verdachtsfällen, insbesondere mit politisch extremen oder rassistischen Bezügen, klar und konsequent nachgegangen werde. Aufgeregt wie immer zeigte sich Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), denn offenbar sei das Parlament, die „Herzkammer“ der Demokratie, nicht immun. 

Den Kern dieser Geschichte ließen jedoch sowohl Schäuble als auch Roth aus. Offenbar sind rechtswidrig detaillierte Angaben aus Personalakten inklusive Privatadressen und private Telefonnummern von Bundestagspolizisten, Verwaltungsmitarbeitern und Fraktionsbeschäftigten an Medien durchgestochen worden. In einem Artikel wird offen zugegeben, daß mindestens ein Beschäftigter in seiner Wohnung aufgesucht wurde. Andere versuchte man telefonisch oder an ihrem Arbeitsplatz zu befragen.

In der Bundestagsverwaltung wird inzwischen der Blick auf eine straff organisierte Seilschaft gerichtet, die unter dem Namen „House of Kahrs“ bekannt geworden ist (JF 13/20). Gemeint sind Personen, die auch mit Hilfe des einflußreichen früheren SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs aus Hamburg Stellen in der Bundestagsverwaltung erhalten hatten. Sie sollen inzwischen beim Marsch durch die Institution so erfolgreich gewesen sein, daß sie Einblick in Personalakten und geheime Unterlagen haben. Dieses Sicherheitsrisiko nennt Schäuble nicht.