© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Frisch gepreßt

Familienunternehmen. Das Mosel-Weingut Staffelter Hof in Kröv (862), die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan (1040) und die Ludwig Stocker Hofpfisterei (1331) sind die drei ältesten Firmen in Deutschland – allerdings mit mehrfachem Eigentümerwechsel. Bei der Coatinc Company änderte sich zwar der Name und aus der 1502 gegründeten Stahlschmiede ist inzwischen eine international tätige Firma für Oberflächenveredelung von Metallen geworden – doch seit 499 Jahren ist die Firma aus dem Siegerland in Familienbesitz. Ebenfalls bis ins 16. Jahrhundert läßt sich die Geschichte der Prym Group (1530; Aachen/Stolberg) oder der niederbayerischen Glasmanufaktur von Poschinger (1568) zurückverfolgen. Die 500 größten Familienunternehmen Deutschlands sind im Schnitt 101 Jahre alt. Sie beschäftigen 56 Prozent aller Arbeitnehmer und erwirtschaften 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – dennoch scheinen ihre Interessen zweitrangig, wie die Corona-Krise oder die politische Protektion im Fall Wirecard gezeigt hat. Damit will sich Mittelständler Johann Pröpster nicht abfinden: „Wer die Pflicht hat, Steuern zu zahlen, hat auch das Recht, Fehlentwicklungen offen anzusprechen.“ Und anders als viele Konzernlenker und Ökonomen redet der Ingenieur Klartext, wenn er die „Metastasen der Bürokratie“ oder den „zerstörerischen Neid“ als „Grundübel des Sozialismus“ schildert. Pröpster faßt das Erfolgsgeheimnis dieser Unternehmen in fünf Punkte: „Tradition und Innovation, gepaart mit Werten, Einstellung und sozialer Verantwortung“ – allerdings ohne Quoten und „Nanny-Staat“. (fis)

Johann Pröpster: Familienunternehmen. Eine ganz persönliche Liebeserklärung an ein starkes Stück Wirtschaft. Verlag Frank & Frei, Wien 2021, gebunden, 144 Seiten, 17,90 Euro





Fischer. Über ein Jahr lang hat Holger Rüdel, Historiker, Fotograf und einst Direktor des Schleswiger Stadtmuseums, den Fischermeister Matthias Nanz auf Fangfahrten an der Schlei, einer 40 Kilometer tief ins Land schneidenden Ostseeförde, begleitet. Entstanden ist eine einzigartige Fotoreportage, die den Arbeitsalltag eines aussterbenden „Urberufs“ zeigt. Die melancholischen Schwarzweiß-Aufnahmen belichten eine keineswegs idyllische, aber Mensch und Natur schonende Welt von gestern, deren schleichender Untergang nach 1950 mit massiven Nährstoffeinträgen der industriellen Landwirtschaft begann. Nachdem später der Umweltschutz den Sauerstoffschwund der Schlei gestoppt hatte und die Fangerträge wieder stiegen, bedroht nun ein hysterisch überzogener Artenschutz die Existenz der letzten Fischer in Gestalt der zu Tausenden auf Herings- und Aaljagd gehenden Kormorane. (bn)

Holger Rüdel: Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei. Wachholtz Verlag, Hamburg/Kiel 2021, gebunden, 137 Seiten, Abbildungen, 28 Euro