© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

Reges Treiben im politischen Bällebad
Landtagswahl II: Zahlreiche „sonstige“ Parteien treten an / Chancen auf einen Einzug ins Parlament haben sie nicht
Christian Schreiber

Insgesamt 22 Parteien und Wählervereinigungen sind zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am kommenden Sonntag zugelassen, darunter traditionell mehrheitlich solche, die gar keine Chance haben, in das Magdeburger Parlament einzuziehen. Doch der Stimmenanteil der „Sonstigen“ ist in den vergangenen Jahren generell spürbar gestiegen. Landeswahlleiterin Christa Dieckmann sprach gegenüber dem MDR von einer erklecklichen Anzahl. Es werde sicher eine rege Wahlbeteiligung geben. 

Durch das Erstarken der Alternative für Deutschland (AfD) haben es rechte Konkurrenzparteien deutlich schwerer als in der Vergangenheit. Dies gilt vor allem für die NPD, die vor zehn Jahren noch um den Einzug in den Landtag kämpfte, nun aber auf verlorenem Posten steht. Das gleiche Schicksal blüht auch der AfD-Abspaltung Liberal-Konservative Reformer, die unter dem Motto „Werte, Freiheit, Zukunft“ ins Rennen geht. Die Partei, die 2015 vom ehemaligen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke gegründet wurde, hat lediglich eine vierköpfige Landesliste nominiert, was nicht gerade dafür spricht, daß sie selbst an einen Überraschungserfolg glaubt.

Auf Distanz zum „grünen Marktführer“

Spannender sind da schon die Aussichten zweier Parteien, die aus dem Umfeld der Querdenker-Bewegung stammen. Mit „WIR2020“ sowie der Basisdemokratischen Partei Deutschlands (Die Basis) treten gleich zwei Parteien an, die ein sofortiges Ende jeglicher Anti-Corona-Maßnahmen fordern. „WIR2020“ erreichte bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg immerhin 0,8 Prozent der Stimmen und verpaßte die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung lediglich, weil es ihr nicht gelungen war, in allen Stimmkreisen Kandidaten aufzustellen. 

Noch knapper erging es der „Basis“, die im „Ländle“ auf 0,99 Prozent kam und der lediglich 96 Stimmen fehlten, um an die begehrten Geldtöpfe zu gelangen. Im Wahlkampf sorgte die Partei für Schlagzeilen, weil sie ankündigte, massenhaft Klagen gegen die Maskenpflicht für Schüler aufgrund von „Kindswohlgefährdung“ anzustrengen. Da aber die AfD in Sachsen-Anhalt ebenfalls eine rigiden Anti-Lockdown-Kurs propagiert, dürften die Erfolgsaussichten der beiden, von den Medien als „Querdenker-Parteien“ bezeichneten Listen eher gering sein. 

Nicht Bundes-, sondern reine Landespolitik wollen die „Freien Bürger Mitteldeutschlands – Die Regionalen“ machen. Sie fordern stärkere Budgets für die Ortschaften und damit mehr Möglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung. „Demokratie bedeutet Herrschaft auf Zeit und weniger Berufspolitiker. Wir fordern die Begrenzung der Amtszeit für Landtagsabgeordnete auf maximal zwei aufeinanderfolgende Wahlperioden. Viele Berufspolitiker verlieren den Blick für das wirkliche Leben. Mit derartigen Zwangspausen soll sichergestellt werden, daß man als Volksvertreter den Bezug zur Basis nicht verliert bzw. wiederfindet“, erklärt der Spitzenkandidat Rainer Bittmann. 

Auch die Grünen, die in Sachsen-Anhalt analog zum Bundestrend deutlich zulegen können, erhalten Konkurrenz. Wie in Baden-Württemberg tritt die „Klimaliste“ an. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluß verschiedener Wählergruppen und Kleinparteien, die sich für Klimaschutzmaßnahmen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels einsetzen. Sie sehen sich als Graswurzelbewegung und gehen bewußt auf Distanz zum „grünen Marktführer“, dem sie vorwerfen, keine konsequente Klimaschutzpolitik zu betreiben. „Wir wollen die Grünen nicht abschießen, sondern letztlich nur Druck aufbauen. Ich würde es begrüßen, wenn sie mit uns in den Dialog treten und wir endlich darüber reden, wie wir die Klimakrise konsequent angehen können“, erklärt Spitzenkandidat Jens Eberhardt. Allerdings belegt die lediglich vierköpfige Landesliste, wie dünn die Personaldecke ist. Die Parteifreunde in Baden-Württemberg hatten sich kurz vor der dortigen Landtagswahl faktisch gespalten und 0,9 Prozent erhalten.

Ebenfalls um die Gunst ökologisch orientierter Wähler buhlt die „Gartenpartei“, die bei den vergangenen Kommunalwahlen den Sprung in den Rat des Landeshauptstadt Magdeburg geschafft hat und dort eine Fraktionsgemeinschaft mit der „Tierschutzallianz“ bildet. „Unsere politische Richtung bezeichnen wir als ‘dunkelgrün’. Sie ist ökologisch ausgerichtet und soll die Grundlagen für ein soziales und gerechtes Gemeinschaftsleben unter Berücksichtigung ökonomischer Faktoren schaffen“, lautet die Kernbotschaft im Wahlprogramm. Mit ähnlichen Zielsetzungen gehen auch die „Tierschutzallianz“ und die Partei „Tierschutz hier“ an den Start. Ein Dauerbrenner, allerdings seit Jahren eher weniger erfolgreich, ist die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die in Sachsen-Anhalt ebenfalls antritt. 

Mittlerweile auf fast jedem Wahlzettel zu finden ist die ursprünglich als Satirepartei gegründete „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei). Der ganz große Rummel um die von dem ehemaligen Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn geründete Formation scheint aber vorbei. Auf der Internetseite des Landesverbands befindet sich bisher noch das Wahlprogramm von 2016. Damals kam „Die Partei“ auf lediglich 0,5 Prozent der Stimmen. Viel aussichtsreicher dürfte die diesjährige Kandidatur auch nicht sein.