© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

Ländersache: Niedersachsen
Mischen möglich machen
Christian Vollradt

Einen ganz neuen Weg wollen sie einschlagen, von einer bundesweiten Premiere ist die Rede: In Niedersachsen planen evangelische und katholische Kirche, künftig in allen Schulformen einen gemeinsamen christlichen Religionsunterricht statt des bisher üblichen konfessionsgebundenen zu erteilen. Vergangene Woche präsentierten die vier im Land ansässigen Landeskirchen (Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe) und die katholische Kirche mit Vertretern der drei Bistümer Hildesheim, Münster und Osnabrück einen entsprechenden Vorschlag. Der soll dann als Grundlage für Gespräche mit der rot-schwarzen Landesregierung unter Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) dienen. Denn das Fach Religion ist hier wie im überwiegenden Teil der „alten“ Länder ein ordentliches Schulfach, das von staatlich besoldeten Lehrern erteilt und dessen Lehrinhalt von den Kirchen mitbestimmt wird. 

Dabei scheint die Initiative zur neuen Ökumene auf der Schulbank weniger auf eine großangelegte Versöhnung von Papst- und Luthertum, sondern eher auf pragmatische Überlegungen zurückzugehen. Aufgrund zuneh­men­der reli­giö­ser Vielfalt müßten für einen konfes­sio­nel­len Reli­gi­ons­un­ter­richt die Klas­sen in immer kleinere Gruppen aufge­teilt werden. Außer den Angehörigen der beiden großen Kirchen gibt es immer mehr Konfessionslose, für die ein Ethikun­ter­richt oder das Fach „Werte und Normen“ angeboten wird – und neuer­dings isla­mi­scher Unter­richt. In Niedersachsen, teilten die Kirchenvertreter mit, seien 46 Prozent der Schüler evangelisch und 16 Prozent katholisch. 23 Prozent seien ohne Bekenntnis, neun Prozent Muslime, und sechs Prozent gehörten einer anderen Religion an. Dennoch nähmen etwa 75 Prozent aller Schüler am christlichen Religionsunterricht teil. 

Dieser wird zwischen Ems und Elbe bereits schon jetzt in der Praxis zu großen Teilen in Form eines gemeinsamen, konfessionsübergreifenden Unterrichts erteilt. Mit der neuen Form wolle man mehr zusammenarbeiten, als es die Kirchen in anderen Bundesländern machten, jedoch weniger weit gehen als beispielsweise Hamburg, wo sogar religionsübergreifend unterrichtet wird. 

Genau ein Jahr lang, bis Mai 2022, möchten die kirchlichen Initiatoren nun mit Vertretern der Landesregierung, mit Religonslehrern, aber auch Elternvertretern darüber debattieren. Nach Abschluß der Beratungen könnte dann das neue Fach erstmals zum Schuljahr 2023/24 angeboten werden, sagte der Leiter der Abteilung Schulen und Hochschulen im katholischen Bistum Osnabrück, Winfried Verburg. Laut den dafür verantwortlichen Bildungsexperten soll Religion auch künftig ein benotetes Pflichtfach und wie der bisherige, konfessionell getrennte Religionsunterricht abiturfähig sein. „Der christliche Religionsunterricht wird gemeinsame Inhalte haben“, erläuterte die Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Kerstin Gäfgen-Track. 

„Er wird aber auch die Unterschiede, die es zwischen evangelisch und katholisch weiterhin gibt, klar benennen.“ Die katholische Deutsche Bischofskonferenz ließ verlauten, sie werde sich an dem Beratungsprozeß in Niedersachsen beteiligen. Abschließende Bewertungen seien erst an dessen Ende möglich. In anderen Bundesländern hatten sich konservative Diözesen ähnlichen Plänen widersetzt.