© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/21 / 30. April 2021

Grüße aus Danzig
Ein Zloty Lohn
Steffen Königer

Von Berlin aus hat jeder Autofahrer zwei Möglichkeiten, um in die Hansestadt Danzig zu gelangen. Es spielt keine Rolle, ob über Bromberg oder Stettin – die Polen haben uns nicht nur beim Ausbau von Straßen längst eingeholt. Knapp sechs Stunden lang ist man größtenteils auf vierspurig ausgebauten Schnellstraßen unterwegs. Der Straßenverkehr staut sich vor und in der Stadt in regelmäßigen Abständen. Daß die polnische Politik den Fokus in den letzten Jahren auf den Schnellstraßenausbau gelegt hat, wird die Verkehrslage nicht gerade verbessern. Nächstes Jahr brauchen die Hauptstädter keine drei Stunden mehr, um zur Ostsee zu gelangen und an langen Wochenenden Strände und Küstenstädte zu fluten. 

Wer in den vergangenen Jahren in der Stadt an der Weichselmündung zu Gast war, konnte besonders in der Altstadt eine geschäftige Bautätigkeit beobachten. Gegenüber der Mottlaupromenade bis zum Krantor reihen sich die frisch sanierten Fassaden der Speicherinsel aneinander. Es wird versucht, notwendig gewordene Neubauten bis hinter die lange Brücke am Grünen Tor an das historische Stadtbild anzupassen. Eine neue, drehbare Fußgängerbrücke fällt zwar ins Auge, stört das Gesamtbild aber nicht allzu sehr. 

Viele Polen entpuppten sich als Meister darin, Gesetzeslücken zu nutzen.

Die Langgasse war wohl nur beim Tod von Papst Johannes Paul II. ähnlich ausgestorben wie derzeit. Die Willkür der Schließungen aufgrund der Corona-Pandemie ähnelt sehr den deutschen Maßnahmen. Während selbst große Baumärkte mit viel Platz auf den Gängen seit Ende März geschlossen bleiben mußten, durften kleinere Fachhändler ihre Läden öffnen – mit viel Gedrängel an den Ladentheken. Trotz einer immer noch doppelt so hohen Inzidenz-Zahl wie in Deutschland sperrt Polen nun größtenteils wieder auf. 

Die meisten Einwohner würden sich sowieso über viele Beschränkungen hinwegsetzen. Viele Polen entpuppten sich in der letzten Zeit als Meister darin, Gesetzeslücken zu nutzen! So fiel mir ein Restaurant ins Auge, das Kunden in seinen Räumlichkeiten bediente. Auf die Gründe angesprochen, erhielt ich lediglich einen kleinen „Arbeitsvertrag“ gezeigt, der es mir ermöglicht hätte, als Tester für eine Stunde angestellt zu werden. Mitarbeiter dürften ja laut Gesetz ihre Speisen im Innenraum verzehren. Der eine Zloty Lohn würde mir dann von der Rechnung abgezogen. Schön, wenn sich auf solche humorvolle Art Sanktionen umgehen lassen.