© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Der Jesuitenpater Alfred Delp SJ trat für eine „Neue Ordnung“ ein, die sich an den naturrechtlichen Prinzipien der Katholischen Soziallehre orientiert. Eine Mitwirkung am Attentat auf Hitler läßt sich nicht nachweisen – den „Tyrannenmord“ hielt er jedoch für gerechtfertigt.
Christlicher Märtyrer
Wolfgang Ockenfels

Sein riskantes Eintreten für eine „Neue Ordnung“, die sich an den christlichen Überzeugungen und den naturrechtlichen Prinzipien der Katholischen Soziallehre orientiert, macht Pater Alfred Delp SJ zu einem christlichen Märtyrer. Er bekannte sich tapfer für ein Deutschland, das sich gegen den Nationalsozialismus erhob. Für dieses Engagement wurde er am 2. Februar 1945 im Gefängnis Plötzensee hingerichtet, nachdem ihn Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofs, zum Tode verurteilt hatte und mit ihm die „Verschwörer“ des Kreisauer Kreises, geführt von Helmuth James Graf Moltke.

Eine unmittelbare Mitwirkung Delps am ­Hitler-Attentat vom 20. Juli läßt sich nicht nachweisen, auch wenn er kurz zuvor mit Stauffenberg persönlich zusammentraf. Daß aber Delp grundsätzlich den Tyrannenmord unter bestimmten Bedingungen, die in der Theologie des Thomas von Aquin definiert wurden, für gerechtfertigt hielt, kann als gesichert gelten.

Hingerichtet wurde Alfred Delp als Mitglied des Kreisauer Kreises, der eine Nachkriegsordnung vorbereitete, die das Land in eine bessere und gerechtere Zukunft führen sollte. Die geistig-moralischen Prägungen, die Delps Widerstandsbereitschaft motivierten, wurden bereits in seiner Kindheit vollzogen. Geboren wurde er am 15. September 1907 in Mannheim. Seine Familie war tief religiös, allerdings durch verschiedene Konfessionen getrennt. Er entschied sich für die katholische Seite.

Nach dem Abitur 1926 trat er in den Jesuitenorden ein. Zu diesem Entschluß führte ihn wohl die von Jesuiten geleitete katholische Jugendbewegung „Neudeutschland“. Noch in der jesuitischen Ausbildung befindlich, die damals stark vom Naturrechtsdenken der Neuscholastik bestimmt war, beschäftigte sich Delp kritisch mit der Geschichtsphilosophie von Martin ­Heidegger. 

1937 wurde er in München von Michael Kardinal Faulhaber zum Priester geweiht. Nachdem die Nationalsozialisten Delp im Juli 1939 ein weiterführendes Studium an der Universität München verweigert hatten, wurde er Redakteur der Jesuitenzeitschrift Stimmen der Zeit. Seine Aufgabe war es, sich vor allem um soziologische und sozialethische Fragen zu kümmern. Er veröffentlichte eine Reihe von Beiträgen über Volk, Heimat und Krieg, über schon damals umstrittene Themen und Begriffe also, die von Delp in einem patriotischen, nicht in einem nationalistisch-aggressiven Sinne verstanden wurden. 

Überdies unternahm er viele Vortragsreisen, er betreute Gruppen des Jugendbundes Neudeutschland und verhalf verfolgten Juden zur Flucht ins Ausland. Nachdem die Gestapo 1941 das Redaktionsgebäude der Stimme der Zeit beschlagnahmte, wurde Delp Rektor an der Kirche St. Georg in München-Bogenhausen. Dort wurden seine Predigten, die zahlreiche kritisch-politische Anspielungen enthielten, mitstenographiert und als „Samisdat“ verbreitet. 

In den Kreisauer Kreis gelangte Delp durch Vermittlung seines Provinzials Augustin Rösch SJ. Hier nahm er an mehreren Tagungen und konspirativen Treffen teil, bei denen es um Entwürfe für eine neue staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ging. In Deutschland sollten die klassischen Werte und Prinzipien des christlichen Abendlandes wieder zur Geltung kommen: Die Achtung der Menschenwürde, die Garantie der Rechtssicherheit und die Freiheitsrechte des Einzelnen. 

Zur Aufgabe Delps in diesem Kreis, dem Vertreter beider Kirchen und auch kirchenferne Sozialdemokraten angehörten, zählte zunächst die Erörterung der Grundlagen der Katholischen Soziallehre anhand der päpstlichen Enzykliken Rerum novarum (1891) und Quadragesimo anno (1931). Die Ideen sozialer Gerechtigkeit konkret zu entfalten, dazu wurde den „Kreisauern“ die Lebenszeit abgeschnitten. Was von ihnen bleibt, ist die Erinnerung an ein geistiges Erbe, das im deutschen Grundgesetz immer noch aufleuchtet.






Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels, Dominikaner­pater, ist Publizist und Professor für christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät Trier.