© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Generaloberst Ludwig Beck gehörte zu den „Honoratioren“ des Widerstands. Kraft seines Ansehens gelang es ihm, divergierende politische Vorstellungen zu überbrücken und ausgleichend auf die verschiedenen Gruppen zu wirken.
Konservativer Vermittler
Peter Möller

Unter den dramatischen Ereignissen, die sich am 20. Juli 1944 in den Stunden nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler im Bendlerblock in Berlin abspielten, war das Ende von Generaloberst Ludwig Beck besonders tragisch. Nach dem Scheitern des Umsturzversuches entging Beck der Verhaftung beziehungsweise dem Erschießungskommando und erhielt die Gelegenheit, sich selbst zu richten – eine aus damaliger Sicht für einen Offizier ehrenvolle Art, aus dem Leben zu scheiden. Doch da es Beck bei zwei Versuchen nicht gelang, sich zu töten, sondern sich lediglich schwer verwundete, mußte ein Feldwebel ihm schließlich den Gnadenschuß geben.

Auf diese Weise endete eine glanzvolle militärische Karriere, die den 1880 im hessischen Biebrich geborenen Beck von den Kasernenhöfen des Kaiserreichs über die Westfront des Ersten Weltkrieges und die Reichswehr der Weimarer Republik schließlich als Generalstabschef an die Spitze des deutschen Heeres und von dort in den Widerstand gegen Hitler geführt hatte.

Die von Hitler betriebene aggressive Außenpolitik stieß bei Beck wie bei den meisten Generälen der Wehrmacht in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre zunehmend auf Unbehagen und Ablehnung. Nicht, weil die Militärs eine  gewaltsame Revision des Versailler Vertrages grundsätzlich ablehnten, sondern weil sie um die Risiken für die noch im Aufbau befindlichen deutschen Streitkräfte wußten. Die von Hitler 1938 forcierten Kriegspläne gegen die Tschechoslowakei bewogen Beck schließlich, von seinem Amt als General-

stabschef zurückzutreten, in der Hoffnung damit ein politisches Signal zu setzen.

Fortan beschäftigte er sich mit militärischen Studien und bewegte sich in militärischen und zivilen Kreisen, die in Opposition zu Hitler standen. Aus diesen formierte sich schließlich – mit dem Fortgang des nationalsozialistischen Terrorregimes und des Zweiten Weltkrieges – jene Bewegung, die wir heute als die Verschwörung des 20. Juli 1944 bezeichnen. Innerhalb dieser auf vielfache Weise heterogenen Gruppen gehörte Beck zusammen mit Ulrich von Hassell und Carl Friedrich Goerdeler zu den ältesten Vertretern, zu den sogenannten „Honoratioren“ des Widerstandes. 

Von dem 1907 geborenen Stauffenberg trennte Beck eine ganze Generation. Aus diesen Generationsunterschieden erwuchsen unterschiedliche Vorstellungen über die Art des Vorgehens als auch der politischen Ziele der Verschwörung. Während die Älteren, nicht zuletzt auch Beck, der politischen Vorstellungswelt des Kaiserreichs verhaftet blieben und sie weitgehend vom wilhelminischen Staatsverständnis geprägt waren, war das untergegangene Reich für die jüngeren um Stauffenberg längst nicht mehr das Vorbild für ein neues Deutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus. Für Stauffenberg und seine Altersgenossen waren die Erfahrungen in der ersten deutschen Republik, auch wenn sie diese zumeist rigoros abgelehnt hatten, der prägende Ausgangspunkt für das Nachdenken über ein Deutschland nach Hitler. Das Kaiserreich dagegen war für sie bereits Geschichte.

Doch Ludwig Beck gelang es kraft seines Ansehens wie auch seines Alters immer wieder, divergierende politische Vorstellungen zu überbrücken und ausgleichend und vermittelnd auf die verschiedenen Gruppen zu wirken. Es ist von daher kein Zufall, daß dem Generaloberst von den Verschwörern nach dem Umsturz das Amt des Staatsoberhauptes beziehungsweise des Reichsverwesers zugedacht war. Heute ist Beck, obwohl er sich früh gegen den verhängnisvollen Kriegskurs Hitlers stellte, und obwohl er bereit war, dafür sein Leben einzusetzen, praktisch vergessen. Dabei kann der General, der von seinem militärischen Posten aus Verantwortung für den Staat zurücktrat, als er sah, daß der Kurs der politischen Führung ins Verderben führte, immer noch als Vorbild dienen. Heute würde man wohl sagen, Beck hatte Zivilcourage gezeigt.






Peter Möller, geboren 1973, lebt und arbeitet als freier Journalist in Berlin.