© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Einst als Bewunderer Gregor Strassers in die NSDAP eingetreten, entfremdete sich Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg zunehmend vom NS-Regime.
Motor der Verschwörung
Björn Harms

Lange bevor Graf Schenk von Stauffenberg die zentrale Rolle unter den Verschwörern des 20. Juli einnahm, galt vor allem ein Mann als innerer Motor der Widerstandsbewegung: Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg. Ohne seine rastlose Aktivität und seine kompromißlose Ablehnung des Regimes der Nationalsozialisten ist das Attentat auf Adolf Hitler nicht denkbar. Bereits 1952 gelangte Eberhard Zeller in seinem Grundlagenwerk über den Widerstand zu einem bemerkenswerten Urteil: „Es gibt kaum einen Brückenschlag innerhalb der Widerstandsgruppen, kein zusammenwachsendes Komplott, bei dem nicht ‘Fritzi’ Schulenburg mit am Werke ist.“

Geboren als Sohn des preußischen Generals der Kavallerie, Friedrich Graf von der ­Schulenburg, entschied er sich nach seinem Abitur in Göttingen und Marburg Jura zu studieren. 1923 legte Schulenburg das Staatsexamen ab und wurde Regierungsreferendar in Potsdam und Kyritz, bevor er ab 1928 als Assessor in Recklinghausen arbeitete. 

Sein Berufsethos als Beamter entnahm er insbesondere der Lektüre Oswald Spenglers und dessen Auffassung eines „Preußischen Sozialismus“.Schulenburg sprach von „der Ordensidee des Dienstes für die Gesamtheit“. Der Beamtenstand sollte eine offene Elite darstellen, die zum Wohle des Volkes agiert. Auch deshalb beschäftigte sich Schulenburg mit Themen wie der Agrarverschuldung oder der Bodenreform. Seine Glorifizierung des Bauernstands und das Ideal einer sozialen Gerechtigkeit brachten ihm unter Kollegen schon bald den Spitznamen „Roter Graf“ ein. 

Schulenburg sympathisierte mit dem sozialrevolutionär geprägten Flügel der NSDAP mit ihrem Exponenten Gregor Strasser. 1932 trat er in die Partei ein, um so „politisch aktiv zu kämpfen“, wie er schrieb. Dabei war er sich der „Schattenseiten der Partei“ durchaus bewußt. Eine „Einigung unter einer anderen Fahne“ hielt er jedoch nicht mehr für möglich. Der junge Verwaltungsbeamte, der in Ostpreußen zum persönlichen Referenten des Gauleiters Erich Koch aufstieg, glaubte daran, daß der Nationalsozialismus den Klassenkampf aus dem Geiste der nationalen Volksgemeinschaft überwinden könnte und damit eine „revolutionäre Epoche“ einläuten würde. 

Schulenburgs ab 1934 einsetzende, zunehmende Entfremdung vom Nationalsozialismus resultierte vor allem aus der innerparteilichen Korruption, die seinem preußischen Wertekanon zutiefst widersprach, und den Morden des „Röhm-Putsches“. Den endgültigen Bruch mit dem Regime vollzog Schulenburg 1938 im Zusammenhang mit der Blomberg-Fritsch-Affäre. Noch im selben Jahr nahm er Kontakte zur militärischen Opposition auf und unterstützte im September, mittlerweile als Vizepolizeipräsident in Berlin tätig, den Staatsstreichversuch während der „Sudetenkrise“. Im Frühjahr 1940 wurde Schulenburg als „politisch untragbar“ aus der Partei ausgeschlossen. Er meldete sich zur Front.

Den Angriff auf die Sowjetunion begrüßte Schulenburg zunächst, da er sich mit der „Auslöschung des Bolschewismus“ identifizieren konnte. Mit den Krisen in der militärischen Versorgung und letztendlich durch den Umgang mit der Zivilbevölkerung in den eroberten Gebieten wuchsen jedoch seine Zweifel, so daß er ab 1942 wieder vermehrt oppositionelle Kontakte bemühte. 

Der gesellige Aristokrat stellte Verbindungen zwischen Militärs und Zivilisten her und zögerte nicht, Kontakte zu kommunistischen Kreisen gutzuheißen, die innerhalb des Widerstands eher kritisch betrachtet wurden. Für den Bereich der inneren Verwaltung versuchte er, das notwendige Personal für die Neuordnung nach dem Attentat zu rekrutieren. Am 20. Juli 1944 wurde ­Schulenburg nach dem Scheitern des Vorhabens im Bendlerblock verhaftet. „Wir haben diese Tat auf uns genommen, um Deutschland vor namenlosem Elend zu bewahren“, schleuderte er Roland Freisler später vor dem Volksgerichtshof entgegen. Noch am Tag seines Todesurteils, dem 10. August 1944, wurde er in Berlin-Plötzensee gehängt.






Björn Harms, Jahrgang 1991, studierte Geschichte und Politikwissenschaft in Dresden und Berlin. Seit 2017 ist er Volontär bei der JF.