© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Der sogenannte „Eid“ der Verschwörer des 20. Juli ist heute nur noch wenigen bekannt. Die enthaltenen Formulierungen gelten vielen als problematisch, bestenfalls mißverständlich.
Bekennende Täter
Karlheinz Weißmann

Der „Eid“ der Verschwörer des 20. Juli gehört zu den eindrucksvollsten, aber auch zu den am wenigsten bekannten Dokumenten der deutschen Geistesgeschichte. Das liegt einerseits daran, daß er keine praktische Wirksamkeit erlangte, andererseits an planvollem Verschweigen, denn die in dem Text zum Ausdruck kommenden Vorstellungen erscheinen den Späteren problematisch, bestenfalls mißverständlich.

Sie gehen im Kern auf Stauffenberg selbst zurück, die Formulierungen auf seinen Freund, den Germanisten Rudolf Fahrner, den er unmittelbar vor dem Attentat, aus Athen – wo Fahrner das Deutsche Wissenschaftliche Institut leitete – nach Berlin gerufen hatte. Stauffenberg, der zu diesem Zeitpunkt von seiner schweren Verwundung in Nordafrika noch nicht genesen war, gab ­Fahrner und seinem Bruder Berthold den Auftrag, sich in ein Ausweichlager der Kriegsmarine bei Bernau, fünf Kilometer nördlich von Berlin, zurückzuziehen.

In seinen Erinnerungen hat Fahrner geschildert, wie selbstverständlich die beiden Männer neben der Arbeit am Text des Eides und des Aufrufs, der nach dem Umsturz an das Volk gerichtet werden sollte, eine Übertragung der Odyssee aus dem Griechischen abschlossen. Den Text des Eides hat Stauffenberg dann noch einmal geprüft, mit Korrekturen versehen und für gut befunden. Dabei ging es ihm weniger um die praktische Bindung der Verschwörer, eher um ein Bekenntnis, das dazu dienen sollte, das Ethos der Täter auszudrücken, für den – wahrscheinlichen – Fall ihres Scheiterns. In der erhalten gebliebenen Textfassung heißt es:

„Wir glauben an die Zukunft der Deutschen.

Wir wissen im Deutschen Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen.

Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf.

Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und beugen uns vor den naturgegebenen Rängen.

Wir wollen ein Volk, das in der Erde der Heimat verwurzelt den natürlichen Mächten nahe bleibt, das im Wirken in den gegebenen Lebenskreisen sein Glück und sein Genüge findet und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der Mißgunst überwindet.

Wir wollen Führende, die aus allen Schichten des Volkes wachsen, verbunden mit den göttlichen Mächten, durch großen Sinn, Zucht und Opfer den anderen vorangehen.

Wir verbinden uns zu einer untrennbaren Gemeinschaft, die durch Haltung und Tun der Neuen Ordnung dient und den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie bedürfen.

Wir geloben untadelig zu leben, im Gehorsam zu dienen, unverbrüchlich zu schweigen, und füreinander einzustehen.“