© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Punktsieg für Gegner der Frühsexualisierung
Schleswig-Holstein: Minsterium kippt Materialsammlung
Martin Voigt

Mit ihrem Vorhaben, das Leben und Lieben vielfältiger sexueller Identitäten auch Grundschülern näherzubringen, ist die schleswig-holsteinische Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) wiederholt gescheitert. Vergangenes Jahr hatte sie den „Methodenschatz für Grundschulen zu Lebens- und Liebesweisen“ beim Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, Schleswig-Holstein (LSVD-SH) in Auftrag gegeben. Die erste Fassung dieser Materialsammlung stieß auf massive Proteste, und Alheit versprach eine gründliche Überarbeitung. Doch das Bildungsministerium kassierte nun auch die zweite Version, obwohl die Ministerin noch im Juni sagte, man müsse sehen, ob das Material auch für Kitas geeignet sei.

„Nach eingehender und kritischer Prüfung der Materialien durch das Institut für Qualitätssicherung (IQSH) ist das Bildungsministerium zu dem Ergebnis gekommen, daß die vorliegenden Materialien in dieser Form nicht geeignet sind, um Vorbehalte gegenüber Lesben, Schwulen und Transsexuellen abzubauen,“ hieß es nun in der Antwort des Kieler Sozialministeriums auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Volker Dornquast (CDU).

Die im Zusammenhang mit dem Aktionsplan „Echte Vielfalt“ beim LSVD bestellten Materialien schlugen zwar mit 20.000 Euro zu Buche, entsprechen laut IQSH aber nicht dem aktuellen Stand der Grundschulpädagogik und -didaktik und „auch nicht den fachspezifischen Anliegen und Standards im Heimat-, Welt- und Sachunterricht.“ Sie seien „sprachlich und aufgrund der thematischen Fokussierungen für Grundschüler nicht altersgemäß gestaltet“.

Regenbogenfamilien schillern in allen Farben

Nun ist die CDU am Zug, nachzuhakt, von welchen Vorbehalten Alheit bei Grundschülern ausgeht und warum sie ungeachtet aller Vergabekriterien einen Lobbyverband beauftragte, der nicht über die nötige Kompetenz verfügt. Die Opposition im Kieler Landtag könnte die Aufarbeitung der ganzen Vergabegeschichte verlangen, die sich in groben Zügen so darstellt: „Wir suchen Regenbogenfamilien“, heißt es seit 2014 auf der Internetseite des Petze-Instituts, das sich mit dem LSVD-SH eine Postadresse teilt und den Auftrag weitergereicht bekam. Man wollte den Grundschülern eine Regenbogenfamilie präsentieren, damit sie lernen, zwei Männer oder zwei Frauen mit Kind oder, noch bunter, ein oder mehrere Transgender mit Kind als normale Familie zu akzeptieren.

Während eine bunte Vorzeige-familie erst noch gefunden werden mußte, präsentierte der LSVD-SH einen Methodenschatz, der jene Lebenssituation zum Sonderfall machte, die auf 100.000 Grundschüler in Schleswig-Holstein zutrifft. In allen Farben schillerte darin die Regenbogenfamilie, aber vom unbunten Rest, also dem Fall, daß ein Mann und eine Frau Kinder bekommen und eine Familie gründen, war kaum die Rede. Dafür wurden Leihmutterschaft, Geschlechtsumwandlung und Polygamie in einem Diktat für Drittkläßler kindgerecht erklärt (JF 7/15).

„Akzeptanz und Vielfalt müssen täglich eingefordert und verteidigt werden“, schrieb der LSVD anläßlich seines 25jährigen Bestehens. Adressiert war das an Eltern, die gegen die Frühsexualisierung in Schulen protestieren. Sie fragen sich, wie das genau aussieht, wenn bei ihren Kindern Akzeptanz eingefordert oder vermeintliche Homophobie abgebaut wird.

Lobbyverband ist politisch bestens vernetzt

Der LSVD ist politisch bestens vernetzt. Bundespräsident Joachim Gauck gratulierte zum Jubiläum und sprach sich für mehr Engagement aus. Somit paßt es ins Bild, daß das Kieler Sozialministeriums das Material direkt beim hofierten LSVD in Auftrag gab, obwohl eine solche Vergabe in das Ressort des Kieler Bildungsministerium fällt, ordentlich ausgeschrieben werden muß und die Bearbeitung durch einen pädagogischen Fachverlag verlangt. Stattdessen lag dann am 10. November 2014 auf der Jahreskonferenz „Echte Vielfalt“ der vollendete, nur noch nicht fertig lektorierte Methodenschatz zur Ansicht am Stand des LSVD auf einer Regenbogenfahne. Und die Ministerin sagte in ihrer Eröffnungsrede: „Mein Wunsch ist, daß wir den Weg zu einem Land, in dem die Vielfalt sexueller Orientierungen und Identitäten selbstverständlich ist, gemeinsam weitergehen.“ In der Sozialausschuß-Sitzung im Kieler Landtag am 11. Juni 2015 sagte Alheit, sie habe keine Kenntnis von dem ausliegenden Methodenschatz gehabt.

Wer zukünftiges Schulmaterial öffentlich präsentiert, verteilt nicht seine allererste Arbeitsskizze. Doch ungefähr das war die Entschuldigung, nachdem die Kieler Nachrichten mit einem Bericht über das Material bundesweit Proteste ausgelöst hatten. Es habe „1.000 Änderungen gegeben“, die geprüft und nun auch mit dem Schulministerium abgestimmt würden, hieß es von der Vorsitzenden des LSVD-SH, Konstanze Gerhard, die auch EDV-Beraterin beim Petze-Institut ist. Man kennt sich. Der Auftrag von Ministerin Alheit wurde nur eine Tür weitergereicht, aber niemand weiß, wie der Methodenschatz zu seinem Inhalt kam?

Wichtiger ist den Verantwortlichen, daß die „Sexuelle Vielfalt“ nun doch noch in die Grundschulen kommt. Der letzte Satz im Antwortschreiben auf Dornquasts Anfrage lautet: „Die Fachanforderungen des Heimat-, Welt- und Sachunterrichts der Grundschulen werden derzeit überarbeitet. Die oben genannten Materialien werden in diesen Prozeß einbezogen.“