© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Ein gerngesehener Gast
Berlin: Sozialsenator Mario Czaja suchte früher selbst die Nähe zu Burschenschaften und ihrem Milieu
Felix Krautkrämer

Für eine erfolgreiche politische Kampagne sind zwei Dinge notwendig: das passende Thema und der richtige Zeitpunkt. Als der Berliner Piraten-Abgeordnete Oliver Höfinghoff sich im Februar in einer Kleinen Anfrage nach Kontakten von „Berliner Politikern zu rechtsradikalen Burschenschaften“ erkundigte, interessierte sich kaum jemand für  die Antwort von Innensenator Frank Henkel (CDU).

Dabei hatte Höfinghoff, der über gute Kontakte in die linksextreme Antifa-Szene verfügt, auch nach dem innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Robbin Juhnke, gefragt. Wie der Senat den Umstand beurteile, daß Juhnke einen Vortrag bei der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg gehalten habe? „Der Senat bewertet die Handlungen von Fraktionssprecherinnen und Fraktionssprechern, die dem Senat nicht angehören, nicht“, lautete die kurze Antwort Henkels, der offenbar dachte, das Thema habe sich damit erledigt. Hätte es sich wohl auch, doch dann entließ Sozialsenator Mario Czaja (CDU) knapp drei Monate später seinen Parteifreund Michael Büge als Staatssekretär, weil dieser sich weigerte, aus der Berliner Burschenschaft Gothia auszutreten (JF 22/13).

Während Juhnke den Vorgang kritisierte, stellte sich Henkel demonstrativ hinter Czaja. Und so dauerte es nicht lange, bis sich die Rechtsextremismusexpertin der Grünen, Clara Hermann, die auch schon an der Kampagne gegen Büge beteiligt war, an die Anfrage Höfinghoffs erinnerte. Die CDU müsse sich fragen, in welcher Nähe sie zu rechten Burschenschaften stehe, stichelte sie zu Wochenbeginn in Richtung Union. Mehrere Berliner Medien griffen den Fall auf. „Verdacht auf Rechtsextremismus: Berliner CDU-Politiker Robbin Juhnke sprach vor Burschenschaft“, titelte der Tagesspiegel.

Passend dazu ist für diese Woche die Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der Linkspartei angekündigt. Darin erkundigt sich die Fraktion, welche Erkenntnisse der Senat über Burschenschaften in Berlin, deren Mitgliederzahlen, Aufnahmekriterien sowie über mögliche Verbindungen zu „rechtsextremen oder rechtspopulistischen Zusammenschlüssen“ hat. Auch welche „Wohnheime von Burschenschaften“ als gemeinnützig anerkannt seien und dadurch „steuerlich subventioniert“ würden, will die Fraktion wissen. Das Ergebnis der Anfrage könnte die Kampagne gegen Burschenschaften und deren Mitglieder in der Politik weiter am Köcheln halten. So mancher CDU-Politiker dürfte derzeit hoffen, daß die eigenen Kontakte ins Korporiertentum nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Allen voran Innensenator Frank Henkel, der Mitglied der Sängerschaft Borussia ist, einer schlagenden Verbindung, für die er mehrere Mensuren gefochten hat.

Aber auch Sozialsenator Czaja hatte in früheren Jahren offenbar keine Berührungsängste mit den heute oft als „rechtsextrem“ kritisierten Burschenschaftern. Nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT war Czaja vor seiner Karriere als Lokalpolitiker in der ersten Hälfte der neunziger Jahre mehrfach zu Gast bei der Berliner Burschenschaft Gothia in Zehlendorf, eben jener Verbindung, für deren Mitgliedschaft er nun seinen Staatssekretär entließ. „Mario Czaja war damals öfters bei uns auf dem Haus und hat sich dort auch wohl gefühlt“, sagte ein Mitglied der Gothia der JF. Auch habe Czaja nicht mit rechten Ansichten hinter dem Berg gehalten. Als Gesundheitssenator gibt sich der CDU-Politiker, der 1997 wegen Fahnenflucht zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, heute dagegen liberal. Insbesondere was die Aufnahme und Unterbringung der wachsenden Zahl von Asylbewerbern in der Hauptstadt anbelangt, ist Czaja alles andere als ein Hardliner. So wurden unter seiner Verantwortung Asylanten in bürgerlichen Einfamilienhaus-Siedlungen untergebracht.

Um so unangenehmer dürften ihm daher seine früheren Kontakte ins rechtskonservative Milieu sein. Und diese beschränkten sich nicht nur auf die Gothia. Trug Czaja als Schüler Anfang der Neunziger noch Palästinensertuch, verschlug es ihn ein paar Jahre später zum sogenannten „Dienstagsgespräch“ des Unternehmers Hans-Ulrich Pieper. Mit der monatlichen Veranstaltung bemühte sich Pieper lange Jahre um die Vernetzung des Milieus rechts der CDU. 2011 schließlich kandidierte er erfolglos für die NPD bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.

Bei einem „Dienstagsgespräch“ 1995 stellte Pieper Czaja als hoffungsvollen Nachwuchspolitiker vor und rief zu dessen finanzieller Unterstützung im Wahlkampf auf. Bei der anschließenden Wahl gelang Czaja als Kreisvorsitzendem der Jungen Union der Sprung in die Bezirksverordnetenversammlung von Hellersdorf. Vier Jahre später folgte dann der Einzug ins Abgeordnetenhaus, dem er seitdem trotz der Affäre um einen falschen Titel angehört. Im Jahr 2006  war bekannt geworden, daß Czaja im Abgeordnetenhandbuch als Schulabschluß zwar „Gymnasium“ angab, in Wahrheit aber gar nicht über ein Abitur verfügte. Statt dessen hatte er an einer nicht gerade als seriös geltenden Hochschule in der Schweiz einen in Deutschland nicht anerkannten Abschluß erworben.

Foto: Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) : Mit der rechten Gesinnung nicht hinter dem Berg gehalten

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