© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Frauen in den US-Streitkräften
Wie man eine Armee ruiniert
Martin van Creveld

Nachdem nun auch die letzten Hürden gefallen sind, die eine Teilnahme amerikanischer Frauen am aktiven Kampf verhinderten – das Pentagon hat am 24. Januar angekündigt, bis 2016 sollen „alle Geschlechterbarrieren im US-Militär weichen“, Frauen auch an der Front kämpfen können –, lohnt sich ein zeitgeschichtlicher Rückblick. 1968 dienten 3,5 Millionen Soldaten in den US-Streitkräften. Knapp über ein Prozent von ihnen waren Frauen. Der Kongreß hatte 1948 festgelegt, daß der Anteil weiblicher Soldaten die Höchstgrenze von zwei Prozent nicht überschreiten dürfe. Die wenigen Uniformträgerinnen sollten nur in bestimmten militärischen Aufgabengebieten eingesetzt und nicht gegen ihren Willen ins Ausland verlegt werden können. Der höchste mögliche Dienstgrad war der eines Oberst.

Die Zeiten änderten sich im Zuge des Vietnamkriegs, da die Regierung unter Präsident Johnson nicht zu Unrecht befürchtete, die Einberufung weiterer Männer könnte auf massiven Widerstand stoßen oder gar einen Bürgerkrieg auslösen. So versuchte man, mehr Frauen für eine Militärlaufbahn zu interessieren. Womit diese ihren Fuß in die Tür bekamen.

Mit dieser Entscheidung hielt der Krieg der Geschlechter auch beim Militär Einzug. Mit Unterstützung der Gerichte, die konsequent auf „Gleichberechtigung“ bestanden, konnten sich weibliche Soldaten im Laufe der siebziger und achtziger Jahre immer mehr Rechte erkämpfen. Je mehr Zeit verging, desto weniger waren die Streitkräfte geneigt, sich deren Triumphmarsch zu widersetzen, und desto bereitwilliger gaben sie beim ersten Anzeichen einer feministischen Forderung nach.

Um nur einige Grundsatzentscheidungen zu erwähnen: 1976 öffneten die Militärakademien ihre Pforten für weibliche Kadetten. Im gleichen Jahr wurde Soldatinnen das Recht gewährt, auch dann nicht aus dem Dienst ausscheiden zu müssen, wenn sie aufgrund einer Schwangerschaft außerstande waren, die ihnen zugewiesenen Aufgaben weiter zu erfüllen. Die unter dem Namen Tailhook-Skandal bekannt gewordene Affäre, bei der es 1991 auf dem Jahrestreffen der gleichnamigen Marineflieger-Vereinigung in Las Vegas zu sexuellen Ausschweifungen kam, die später mit der Entlassung mehrerer hochrangiger Offiziere geahndet wurden, fügte der
U. S. Navy ihre schwerste Niederlage seit Pearl Harbor zu. Im Folgejahr sprach die von Präsident George Bush berufene Commission for Women in Combat eine eindringliche Empfehlung aus, ihrer Klientel die Teilnahme am bewaffneten Kampf zu verwehren. Diese Entscheidung wurde kurz nach dem Amtsantritt seines Nachfolgers Bill Clinton wieder rückgängig gemacht. Frauen durften nun Kampfflugzeuge fliegen, Kriegsschiffe „bemannen“ und an Bodeneinsätzen in Einheiten ab Brigade-Ebene teilnehmen.

Viele Untersuchungen kommen zu dem Schluß, daß jede wie auch immer geartete Organisation in den Augen männlicher wie weiblicher Betrachter an Ansehen verliert, je mehr der Frauenanteil steigt und je wichtigere Rollen Frauen in dieser Organisation spielen.

Mit der Feminisierung der Streitkräfte ging zugleich ihre Schrumpfung einher. Bis zum Ende des Kalten Krieges war die Zahl der Soldaten auf knapp über zwei Millionen gesunken, darunter etwa 8,5 Prozent Frauen. In der Folge wurde sie bis auf 1,4 Millionen reduziert, bei einem Frauenanteil von 16 bis 17 Prozent. Mit diesen Streitkräften zogen die USA erst in Afghanistan und dann im Irak in den Krieg.

Der frischgekürte Verteidigungsminister Chuck Hagel (JF 3/13) will nun weitere drastische Personalkürzungen durchsetzen, womit die letzten Widerstände gegen die Zulassung von Frauen in sämtlichen Einheiten und Einsätzen gebrochen werden dürften. Und obwohl der Anteil uniformierter Soldaten an der Gesamtbevölkerung von 55:1 auf 227:1 gesunken ist, sehen sich die Streitkräfte mittlerweile genötigt, Zehntausende von Menschen ohne US-Staatsbürgerschaft aufzunehmen, um ihre schwindenden Ränge überhaupt noch füllen zu können – das zeigt, wie unattraktiv der Militärdienst geworden ist. Manche Rekruten müssen als erstes lesen lernen, bevor sie sich anderweitig einsetzen lassen.

Im Rückblick sind zwei parallele Entwicklungen eindeutig auszumachen: zum einen der Niedergang der US-Streitkräfte, der sich in einen allgemeinen Trend in den westlichen Nationen einfügt. Zum anderen sticht ihre Feminisierung ins Auge. Kritische Stimmen mögen dagegen einwenden, daß die Streitkräfte im Zuge ihres Abbaus einer qualitätssteigernden Rationalisierungsmaßnahme nach der anderen unterzogen worden seien. Vor allem die von George W. Bush im Rahmen der vernetzten Operationsführung zur Leitlinie seiner Rüstungspolitik und Verteidigungsplanung ausgerufene „Revolution in Military Affairs“ sollte die Kampfkraft angeblich um ein Vielfaches steigern. Dies blieb jedoch reines Wunschdenken, wie schon ein Blick auf Afghanistan zeigt. Dort sind „analphabetische“ Stammeskrieger – und wohlgemerkt nicht etwa Stammeskriegerinnen – kurz davor, die USA und ihre Verbündeten nach einem Jahrzehnt praktisch fruchtloser Bemühungen zum Rückzug ihrer Truppen zu zwingen.

Besteht zwischen beiden Entwicklungen ein Zusammenhang? Aber sicher. Zur Verdeutlichung sei ein Buch der Professorinnen Barbara F. Reskin und Patricia A. Roos mit dem Titel „Job Queues, Gender Queues“ herangezogen, das seit seiner Erstveröffentlichung 1990 über 1.200mal in anderen Publikationen als Quelle zitiert wurde. In Übereinstimmung mit zahllosen anderen Wissenschaftlern kommen die beiden Autorinnen zu dem Schluß, daß jede wie auch immer geartete Organisation in den Augen männlicher wie weiblicher Betrachter an Ansehen verliert, je mehr der Frauenanteil steigt und je wichtigere Rollen Frauen in dieser Organisation spielen. Der Verlust an Ansehen führt zu rückläufigen Einnahmen, diese wiederum schaden dem Ansehen. Welcher Teil dieses Prozesses die Henne und welcher das Ei ist, läßt sich schwer sagen; das Ergebnis wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Teufelskreis sein. Gibt es irgendeinen Grund zu der Annahme, daß das Militär eine Ausnahme von dieser Regel bilden könnte?

Sind diese Entwicklungen zu begrüßen? Das kommt ganz auf den Standpunkt an. Wenn Streitkräfte zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit dienen, lautet die Antwort eindeutig „Nein“. Einer Statistik zufolge sind knapp ein Drittel aller amerikanischen Soldatinnen alleinerziehende Mütter. Aller geltenden Dienstvorschriften ungeachtet, sind sie somit bestenfalls begrenzt einsetzbar. Hinzu kommt, daß statistisch gesehen zu jedem beliebigen Zeitpunkt damit zu rechnen ist, daß ein Zehntel aller Soldatinnen schwanger ist, was ebenfalls eine Einschränkung ihrer Einsatzfähigkeit bedingt.

Generell können Frauen bezüglich ihrer physischen Belastbarkeit nicht mit Männern mithalten. Der Versuch, sich dennoch an den gleichen Anforderungen zu messen, führt zu einer unverhältnismäßig hohen Verletzungsrate. Deswegen grenzt die gemeinsame Ausbildung von Rekruten beider Geschlechter oft an eine Farce und stellt eine riesige Ressourcenverschwendung dar. Hinzu kommt, daß Männer durchschnittlich länger bei der Stange bleiben. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind die Mittel, die in die Ausbildung von Frauen investiert werden, verschwendet.

Die Zulassung von Frauen zum Militär ist eine Farce. Von echter Gleichberechtigung, die dafür sorgt, daß Soldaten beider Geschlechter die gleichen Risiken auf sich nehmen und die gleichen Verluste erleiden, sind wir so weit entfernt
wie eh und je.

Die Zahlen aus den Kriegen im Irak und Afghanistan zeigen nicht zuletzt, daß die Wahrscheinlichkeit, im Kampf zu fallen, bei Soldatinnen im Verhältnis zu ihrer Zahl um neunzig Prozent geringer ist als bei ihren männlichen Kameraden. In den Streitkräften anderer Länder ist diese sogar noch geringer. Das bedeutet mit anderen Worten, daß die Frauen in Uniform nicht ihren Mann stehen. Ob das daran liegt, daß die öffentliche Meinung hohe Op-ferzahlen gefallener Soldatinnen nicht tolerieren würde, oder daran, daß die Frauen selber tausend Wege gefunden haben, den Feuergefechten aus dem Weg zu gehen, spielt dabei keine Rolle. Wahrscheinlich wirken beide Faktoren zusammen. Statt im Kampf zu stehen, schieben viele Soldatinnen eine ruhige Kugel. Im vorherrschenden Klima der politischen Korrektheit verbietet es sich jedoch für jeden, der entweder selber beim Militär dient oder in irgendeiner Weise auf öffentliche Billigung angewiesen ist, dieses Problem auch nur im Flüsterton anzusprechen. Jedoch läßt sich kaum leugnen, daß es sich auf die Moral der männlichen Soldaten auswirken muß.

Man kann das Thema aber auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte haben wir uns daran gewöhnt, die Feminisierung des Militärs für einen gewaltigen Schritt zur Emanzipation der Frauen zu halten. In Wirklichkeit ist sie alles andere als das. Seit Tausenden, wahrscheinlich Zehntausenden von Jahren haben Männer ihr Leben geopfert, um die Frauen, die wir lieben, vor dem Tod zu retten. Wäre es nicht wunderbar, wenn die Frauen bereit wären, den Spieß umzudrehen und für uns zu sterben? Schließlich leben wir modernen Männer und Frauen gemeinsam in einer Demokratie, in der Frauen eine Mehrheit der Bevölkerung bilden. Warum sollten sie also nicht im proportionalen Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil im Krieg fallen?

In Wirklichkeit ist die Zulassung von Frauen zum Militär wenig mehr als eine Farce, die den Steuerzahler teuer zu stehen kommt. Von echter Gleichberechtigung – einer Gleichberechtigung nämlich, die dafür sorgt, daß Soldaten beider Geschlechter die gleichen Risiken auf sich nehmen und die gleichen Verluste erleiden – sind wir so weit entfernt wie eh und je. Insgesamt betrachtet, ist es womöglich besser so.

 

Prof. Dr. Martin van Creveld, Jahrgang 1946, gilt als einer der „weltweit führenden Militärtheoretiker“ (taz) bzw. als „einer der renommiertesten Militärhistoriker der Gegenwart“ (Welt). Seit 1971 lehrt er Theorie des Krieges an der Hebräischen Universität Jerusalem. Für die junge freiheit schrieb er zuletzt über Israels Militärstrategie in Nahost („Ein Punktsieg ist möglich“, JF 49/12). www.martinvancreveld.com

Martin van Creveld: Frauen und Krieg, Gerling Akademie Verlag, Berlin 2001, gebunden, 324 Seiten, 29,65 Euro. Für den Autor ist die Soldatin ein Indiz dafür, daß das Militär seine Bedeutung als staatlicher Garant äußerer Sicherheit eingebüßt hat.

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